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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Stille bei Daniel Maximin 176<br />

Bedrohung verloren, der Ausbruch würde für die Protagonistin ein „petit cadeau“ darstellen:<br />

„[D]emain ici ne pourra être que fabuleux.“ (Soufrières 11).<br />

Die entmachtete Position des Vulkans spiegelt sich darin wider, dass Maximin ihn zu<br />

einer Romanfigur unter anderen macht. Damit liegt die Macht über die Romanfigur Soufrière<br />

letztlich in der Hand des Autors, der den Vulkan tanzen und sprechen lassen kann, wie es ihm<br />

beliebt. Im Roman selbst kommt diese Machtübertragung in der Einstudierung des<br />

Theaterstücks „La danse de la femme-volcan“, einer Adaption von Wole Soyinkas The dance<br />

of the forests, zum Ausdruck: die femme-volcan des Stücks bewegt sich unter der Regie von<br />

Antoine und Inès. Sie wird damit zur Schöpfung der Regisseure wie die tatsächliche Soufrière<br />

unter der Regie des Autors Maximin steht. Nur als die Soufrière für einen Moment tatsächlich<br />

auszubrechen droht, entgleitet den Regisseuren die Gewalt über den Vulkan und die femme-<br />

volcan: die Schauspielerin fällt von der Bühne und Antoine, der sie gerade noch auffangen<br />

kann, bricht sich das Bein.<br />

Im vierten Kapitel „La rumeur de la terre“ schlüpft die Soufrière in die Rolle des Ich-<br />

Erzählers und reiht sich in die Kette der Romanfiguren ein, die im Laufe der Trilogie das<br />

Wort ergreifen. Hat Maximin bereits mit seiner Heldin Marie-Gabriel einer Frau das Wort<br />

erteilt, so wird das Zu-Wort-Kommen-Lassen nun durch die weibliche Stimme der Soufrière<br />

vervollständigt. Die Bedeutung ihres Monologs, die durch die zentrale Situierung in der Mitte<br />

der Trilogie betont wird, liegt vor allem in der Verräumlichung von Maximins Geographie-<br />

Begriff. Der Text bildet selbst die Geographie der Insel nach, indem die Soufrière den Platz in<br />

der Mitte einnimmt und das Treiben rund um den Berg und den Text beobachten kann. Eine<br />

besondere Affinität hat die Soufrière zu den psychisch kranken Waisenkindern im Heim von<br />

Saint-Claude, die als einzige die Bewegungen im Erdinneren spüren und einschätzen können.<br />

Wie die von ihren Eltern verstoßenen Kinder, die durch die Last der kollektiven und<br />

persönlichen Vergangenheit ihre Sinne der Gegenwart verweigern 9 , wurde auch die Insel vom<br />

Kontinent zurückgestoßen und ist nun in geographischem Sinne „verrückt“:<br />

Aujourd’hui, même les savants affirment que les continents dansent, les pieds<br />

cachés sous l’eau pour garder en surface leur sérieux. L’Amérique s’éloigne en<br />

douce de l’Afrique qui concède trente centimètres par décennie. Et la plaque<br />

caraïbe, qui supporte tout notre archipel, fait résistance à cet eloignement au prix<br />

des éruptions et des séismes dans nos îles arc-boutées, fidèles et fragiles au<br />

souvenir du continent noir. (Soufrières 29)<br />

Schmerzlich erfährt der Vulkan die Trennung von Afrika. Wie die Heimkinder „treu und<br />

zerbrechlich“ an einer Vergangenheit festhalten, die sie gefangen hält, bewahrt auch der<br />

9 Cf. „Leurs petites têtes boiteuses ont trop de mémoire pour l’oubli du temps très ancien où les pères et les<br />

mères ne se distinguaient pas les uns des autres, où la vie débordait sans crainte et la naissance et la mort, où les<br />

volcans pénétraient dans les îles folles de leur lave.“ (Soufrières 148).

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