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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Eine Romanwelt der Gegensätze: Gisèle Pineau 222<br />

portraitierten Personen vorbeigeht, sondern ihrer Arbeit die Menschlichkeit entzieht und sie<br />

selbst von den Menschen entfremdet: „Mon métier m’avait corrompue. J’étais une créature<br />

immonde, voleuse d’intimité, charognard d’images et d’expressions. Encore et encore des<br />

clichés. Toujours, jusqu’au dégoût!“ (Drive 183) 23 . Zuvor entsprach die Struktur ihrer<br />

Weltsicht derjenigen der Fotographie. Die Welt wurde in Negativ und Positiv eingeteilt.<br />

„Clichés“ nahmen dabei eine bedeutende Rolle ein, denn die Welt, wie sie die Erzählerin<br />

wahrnahm, war selbst zum Klischee geworden. Obwohl sich am Ende des Romans die<br />

Erzählerin voller Ekel von ihrer idealisierenden Sichtweise distanziert und sich mehr und<br />

mehr in die Welt ihrer Erzählung selbst einfügt, bleibt auf metapoetischer Ebene die<br />

kontrastive Weltsicht für La Grande Drive des esprits wie auch für die anderen Romane<br />

Pineaus bestimmend.<br />

Die Romane bewegen sich im Bannkreis von polarisierenden Extrempositionen. Die<br />

Bemühungen der Romanfiguren zielen zum einen auf die Herstellung eines primären<br />

Zustands ab, den sie mit aller Kraft festzuhalten und zu konservieren versuchen. Dabei geht es<br />

einerseits um das Beherrschbarmachen der Natur – wie im Fall von Joab – oder das<br />

Beherrschbarmachen der Menschen wie im Fall der angeketteten Glawdys, andererseits um<br />

das Einfangen und Konservieren originärer Zustände, wie es bei Zébios Gemälde, den<br />

Ausbruchsversuchen der Rastas, Rosettes Traumwelten, Clothildes Parfümen, Lilas<br />

Lebensflakons, den Vögeln im Käfig und den Fotos der Erzählerin in La Grande Drive des<br />

esprits festzustellen ist. Das Motiv des Einsperrens, des Festhalten und Unterdrückens kommt<br />

auch bei Eliettes gestörtem Erinnerungsvermögen und Célestinas Stottern zum Tragen. Dem<br />

Versuch der Romanfiguren, die Lebenswelt zu dominieren, indem sie sie reduzieren bzw.<br />

konservieren, stehen Kräfte entgegen, die genau das Gegenteil bewirken. So sind die<br />

Romanfiguren stets von Wahnsinn 24 , von Verwilderung und der Entfesselung der<br />

(Trieb)Natur bedroht. Von dieser Schwarz-Weiß-Malerei ist vor allem das Bild des Mannes<br />

betroffen. So steht dem Vergewaltiger, der sich in ein wildes Tier zu verwandeln scheint, der<br />

sanftmütige „homme doux-sirop-miel“ (Espérance 99) gegenüber, der wie Joab, Henry und<br />

James-Lee meist Vegetarier ist und somit alles Tierische von sich abgestreift hat. Der Roman<br />

als idealisierte Gartenlandschaft läuft permanent Gefahr, von Verwilderung und<br />

23<br />

Cf. auch folgende Passage: „Pourquoi fallait-il toujours que je m’invente des amis parfaits, portraits des<br />

clichés qui grouillaient dans ma tête? Pourquoi ne supportais-je pas de les voir différents de la première image<br />

qu’ils m’avaient donnée d’eux? Incorrigible idéaliste, j’étais toujours deçue des nouvelles faces qu’on me<br />

présentait ensuite. C’était là ce que je recherchais en vain dans mes amours et amitiés: la perfection!<br />

L’intolérable perfection qui m’empêchait d’accepter les autres dans leur entier. L’impossible perfection qui me<br />

faisait les vomir s’ils s’écartaient un tant soit peu de l’image rêvée… Une image emprisonnée dans un carton<br />

glacé, comme celles de mes photographies.“ (Drive 212f).<br />

24<br />

Wahnsinn und wahnhafte Angstzustände betreffen durchgehend Frauen (Gerty, Noémie, Eliettes Mutter, Lila<br />

und Sybille).

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