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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur der Antillen im Spiegel der Kolonialliteratur 37<br />

Körperöffnungen und -eingänge und bringen die körperliche Ordnung von innen ins Wanken,<br />

sie be- und verschmutzen, kurz, sie werden als entartet und widernatürlich dargestellt.<br />

1.3 Die gebändigte und zu bändigende Natur<br />

Die Bändigung der als Gefahr empfundenen Natur erfolgt auf allen Ebenen der Romane<br />

Antilles… und Ulysse Cafre. Lediglich in Mariage de Loti unterwirft sie der Autor nur auf<br />

indirekte Art, wie wir im Kapitel zur melancholischen Natur noch genauer sehen werden. In<br />

den beiden erstgenannten Texten, die aufgrund ihrer Beschaffenheit als Kolonialromane<br />

großes Gewicht auf die Vereinnahmung der kolonisierten Räume legen, ist die Bändigung der<br />

Natur wichtigstes Strukturprinzip nicht nur der Komposition des Naturraumes, sondern auch<br />

der Handlungen und Gesten der Romanfiguren. Die Abtötung der Natur dringt letztlich bis in<br />

die Sprache über die Natur vor, so dass selbst eine chaotische, wilde Landschaft durch die<br />

verwendete Sprache mortifiziert wird.<br />

1.3.1 Bändigung auf inhaltlicher Ebene<br />

Zunächst ist festzustellen, dass nur der Naturtyp positiv bewertet wird, der mit dem Europäer<br />

oder Kolonialisten in Verbindung steht oder von ihm abhängt. So ist der gepflegte Garten mit<br />

seinen ausgefallenen Blumen, dem geschnittenen Rasen und zurückgestutzten Bäumen der<br />

positive Ort der Glückserfüllung schlechthin. Gelobt wird die vom Menschen geschaffene und<br />

angepflanzte Natur (Antilles 149), wie z. B. die kleinen rosafarbenen „lis de Saint-Joseph“<br />

(Antilles 141), „un miracle rose, doux, léger, qui s’étend sur le sol“ (Antilles 141), die durch<br />

ihr wunderbares Aufblühen und ihren christlichen Namen nicht nur gottgegeben ihre<br />

Kreatürlichkeit verleugnen, sondern darüber hinaus untertänig und verletzlich tief am Boden<br />

wachsen. Dies nur als Beispiel, dass bereits die Wahl der Motive aus einem fast<br />

unbegrenztem Naturraum das Anliegen der Autoren erkennen lässt, die ästhetisch und ethisch<br />

schöne Natur immer in Bezug auf den „zivilisierten“ Menschen zu konzipieren. Natur ohne<br />

Kultur dagegen erscheint grauenhaft.<br />

Die Komposition des Raumes verrät das gleiche Interesse. Das Haus, „dressée sur un<br />

plateau bien exposé“ (Antilles 22), dominiert den umliegenden tropischen Wald und gibt die<br />

Sicht auf die zur habitation gehörenden Plantagen frei. Der Machtdemonstration des Hauses<br />

ist sogar die Sonne unterworfen, „qui tourne autour d’elle [d. i. la maison]“ (Antilles 31). Das<br />

Weltbild ist perspektivisch umgekehrt: Alles dreht sich um den Menschen, und zwar um den<br />

weißen, beispielhaft zivilisierten Europäer. Charakteristisch ist die Lenkung der<br />

Wahrnehmung, die durch Sehbarrieren eingeschränkt ist und so keinen totalen Blick auf die<br />

Natur freigibt: „Entre les lattes de bois se découpaient des lanières de ciel irisé et de sombres

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