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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur als Projektionsraum: Maryse Condés Traversée de la Mangrove 239<br />

nachtrauert, assoziiert er die Insel mit dem verlorenen Paradies, das in seinem Katechismus<br />

beschrieben ist 36 , vor dessen Hintergrund die Traurigkeit des aktuellen Zustands der Natur als<br />

„cathédrale saccagée“ (Traversée 67) kontrastiert.<br />

Erst als sich Aristide mental von Mira löst und sie aus der geôle, in die er sie gerne<br />

gesperrt hätte, entlässt, wird auch sein Blick frei für die Weite des Meeres. Das Meer, das die<br />

Insel mit dem Rest der Welt verbindet und den Weg in andere Länder öffnet, kann ihm das<br />

Salz zur Verfügung stellen, das er braucht, um sich aus dem zombie-Dasein seiner Bindung an<br />

Mira zu befreien: „Un dégoût de lui-même l’avait pris et il avait tourné la tête vers la mer<br />

comme si son sel pouvait le purifier.“ (Traversée 79).<br />

9.2.3 Der Wald<br />

Der Wald, der das Dorf von allen Seiten einschließt 37 , bedeutet für etliche der Bewohner eine<br />

Quelle positiver Kraft. Allen voran Man Sonson, die sich auf das Sammeln von medizinischen<br />

Pflanzen versteht. 38 Auch die Kinder Sonny und Joby stehen in einem intimen Verhältnis zu<br />

den Bäumen des Waldes. Joby kennt alle pié-bwa mit Namen und geht, nachdem er sie<br />

gerufen und auf ihrem Stamm Platz genommen hat, mit ihnen auf imaginäre Reisen. 39<br />

Befindet er sich in einer verzwickten Lage, so flüstern ihm die Bäume ihren Zuspruch zu. 40<br />

Auch Sonny kommt neben der kurzen Freundschaft zu Sancher in den Genuss der<br />

„confidences des grands arbres“ (Traversée 113). Auf der Anhöhe, wo die Pflanzen niedriger<br />

und unscheinbarer werden, fühlt sich Sonny, der von den Gleichaltrigen verpönte, wie ein<br />

König: „Là-haut, il se sentait roi dominant de toute sa taille les espèces rabougries, mal<br />

nourries par la terre latéritique.“ (Traversée 113). Sind die Pflanzen durch die Höhenlage und<br />

den nährstoffarmen Boden verkümmert, so ist Sonny seelisch vernachlässigt und emotional<br />

unterernährt. Wie bei Mira springt die Insel und ihre Vegetation als Trösterin ein und ersetzt<br />

die Mutter. Als Sonny seiner leiblichen Mutter Dodose die Früchte bringt, die er im Wald für<br />

sie gesammelt hat, wirft sie wie immer alles weg und ruft: „Où as-tu encore été ramasser ces<br />

saletés-là?“ (Traversée 114). Sie weist die geschenkten Früchte genauso zurück wie ihren<br />

Sohn, aus dessen Reich sie stammen.<br />

Dodose gehört zu den Neuankömmlingen in Rivière au Sel, die dort entweder durch<br />

Heirat oder berufliche Versetzungen gestrandet sind und sich durch den üppigen Wald<br />

erdrückt fühlen. Sie sehen den Wald nicht von innen aus der Perspektive ihrer neuen<br />

36<br />

Cf. Traversée 66.<br />

37<br />

Wie die Insel wird auch Rivière au Sel, Insel inmitten des Waldes, wiederholt als Gefängnis beschrieben<br />

(Traversée 39, 47, 200).<br />

38<br />

Cf. Traversée 86.<br />

39<br />

Cf. Traversée 96.<br />

40<br />

Cf. Traversée 98.

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