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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Joseph Zobel, back to the roots oder back to colonialism? 52<br />

nicht nur französische Kolonie, sondern darüber hinaus während des zweiten Weltkriegs von<br />

Truppen des Vichy-Regimes besetzt und von der Außenwelt abgeschnitten. Insofern wurde<br />

vor allem die Selbstversorgung der Insel lebensnotwendig und zum politischen Projekt 3 .<br />

Die beiden für das Dorf bestimmenden Naturbereiche Erde und Meer werden durch<br />

zwei Hauptfiguren repräsentiert: Diab’là und Capitain’là. Über die auffällige<br />

Namensgestaltung durch das typisch kreolische Suffix „là“ 4 hinaus liegt eine Parallelführung<br />

beider Figuren nahe, denn Capitain’là stellt sich als der einzige Dorfbewohner heraus, mit<br />

dem Diab’là kulturelle und politische Sachverhalte diskutieren kann. Auch an Capitain’là und<br />

damit am Meer selbst führt Zobel die positive Wirkung der Hinwendung zum antillanischen<br />

Boden vor: Als Capitain’là den Garten Diab’làs besucht, hilft er seinem Freund bei der Arbeit<br />

und spürt plötzlich die vitalisierende Kraft der Erde am eigenen Leib. Er beginnt zu singen:<br />

„Des chansons anciennes qu’il croyait avoir oubliées et qui fluaient de ses lèvres dans un<br />

soubresaut de vigueur et de jeunesse.“ (Diab’là 163f). Das Wühlen in der Erde legt verdeckte<br />

Erinnerungsschichten frei und stellt den Kontakt zu kollektiven Ausdrucksformen wie der des<br />

Gesangs wieder her.<br />

Trotz des selbstbewussten Grundtenors des Textes und der Aufwertung der schwarzen<br />

Landbevölkerung, der Zobel selbst als Intellektueller freilich nicht angehört, wird die<br />

offensichtliche Intention, für die Kolonisierten Partei zu ergreifen, an vielen Stellen<br />

durchbrochen. In einem romantisierenden Sprachgestus, der deutlich an den exotistischen<br />

Roman erinnert, verklärt der Erzähler das Leben der Landbevölkerung. Vor allem in Les jours<br />

immobiles verwendet Zobel inflationsartig das Adjektiv „simple“, das fernab allen<br />

realistischen Anspruchs den Mythos des einfachen guten Wilden wachruft, der in der<br />

unberührten Natur einem paradiesischen Leben nachgeht. „La vie de chacun est une<br />

merveille.“ (Jours 50). Die Menschen, „farouches et doux, courageux et tendres à la fois, nés<br />

des amours libres de l’homme simple avec l’eau, l’air, la terre, le feu…“ (Jours 2), scheinen<br />

in einem ursprünglichen, wilden Zustand verhaftet zu sein und werden wie im Kolonialroman<br />

mit Tiermetaphern – obgleich anderer, positiverer Art – versehen. Diese entstammen darüber<br />

hinaus dem Bereich der Nacht – auch das ein Anklang an die Darstellung der schwarzen<br />

Bevölkerung im Kolonialroman: „[S]es prunelles brunes qui s’allumaient au soleil comme<br />

3 Das Thema der Selbstversorgung ist für die antillanischen Schriftsteller auch heute noch aktuell, da die<br />

zurückgehende Landwirtschaft weiterhin exportorientiert ist. Durch die Ernennung Martiniques und<br />

Guadeloupes zum Département d’Outre-Mer im Jahr 1946 wurden die Inseln an das soziale und wirtschaftliche<br />

Netz Frankreichs angegliedert und hängen seitdem sozusagen am Tropf Frankreichs. Auch Patrick Chamoiseaus<br />

Roman Chronique des sept misères thematisiert die gesunde Eigeninitiative der Antillaner während der Blockade<br />

des zweiten Weltkriegs und die Suche nach alternativen Anbaumethoden, die die Versorgung der Bevölkerung<br />

mit Nahrungsmitteln gewährleisten.<br />

4 Cf. Axel Gauvain, 1977, 29.

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