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Edouard Glissant: hagiographe des sites 158
stammt, ist nicht mehr rekonstruierbar: „à la fin ni l’informateur ni l’auteur n’eussent pu se
reconnaître l’un par l’autre; et […] le lecteur attentif ne saurait non plus, du moins sans
vertige, les distinguer.“ (Mahagony 175). 39 In einer Art Schlusswort widmet Mathieu den
Roman dem „chroniqueur“:
Parfois nous perdons la trace. Parfois elle se dédouble. Le plus souvent elle se
perd dans une touffaille de végétation où nous enfonçons nos corps, plus roides
que nos esprits.
Ainsi ai-je couru la courbe de ce recit aux voix mêlées. Je le dévoue à mon
auteur et biographe […]. Nous méditons ensemble ce mahogani, multiplié en tant
d’arbres dans tant de pays du monde. (Mahagony 193)
Am Ende kehrt der Text in einem Kreis – zusammen mit Mathieu und dessen „courbe“ – zum
Mahagoni-Baum zurück. Er vollzieht damit eine Bewegung, die dem Leser schon in Glissants
erstem Roman begegnete, als Thaël mit seinem kreisförmigen Herumwirbeln den Roman in
Gang setzte und am Ende wieder anhielt. Das Umkreisen hatte Mathieu schon in der
Einleitungspassage von Mahagony zur Voraussetzung gemacht, um das Wesen des Baumes
verstehen zu können: „L’être même du vieil arbre se dérobe, tant qu’on a pas tenté de faire le
tour, de reprendre par quelque bout d’écorce et de reconstituer l’entière mâture. Ce que
j’entreprends ici.“ (Mahagony 13f). Dies spiegelt nicht nur das hermeneutische
Näherkommen des Lesers an den Text Mahagony, sondern auch Glissants Technik wider, die
Urszenen des Romangeschehens immer wieder neu zu schildern.
Am Anfang von Mahagony beschreibt Mathieu einen gewaltigen fromager, der – wie
ein Requisit, das von dem Bühnenbild eines Theaterstückes in die neue Kulisse übernommen
wurde – aus der Eingangspassage von La Lézarde bekannt ist. Es handelt sich um den Baum,
an dem Thaël am Tag seines Aufbruchs in die Stadt vorüberlief: „Ce géant pousse ses racines
hors de terre avec une puissance en spirale et comme une rondeur qui donne vertige. Son
surgissement est aussi éperdu que nos mémoires rétives.“ (Mahagony 14). Wie die Lézarde,
die die Drehungen Thaëls in ihren Strudeln abbildete, stellt auch der Baum eine
naturgewordene Variation des Wirbels dar. Wie ein ungebetenes Mahnmal scheint er an
vergangene Zeiten erinnern zu wollen. Sowohl die Spiralform als auch die „rondeur qui donne
vertige“ bringen das Baummotiv in die Nähe des Sogs, der die Romanfiguren in die Tiefe aus
39 Das Konzept des „informateur“, der dem Autor den Stoff für den Roman liefert, dient vor allem der
Vortäuschung von Authentizität. Sie fingiert, dass an der Basis der Romanarbeit eine orale Aussage steht. Die
Technik der vorgetäuschten Oralität, die Glissant in seinen Romanen entwickelt, diente Patrick Chamoiseau
möglicherweise als Vorbild für seine Figur des „marqueur de paroles“, der wie in Texaco die Berichte weiterer
Personen festhält. Während sich Glissants „chroniqueur“ jedoch im Hintergrund der Romanhandlung aufhält,
verleiht Chamoiseau seinem „marqueur“ zusätzliches Gewicht, indem er wie z. B. in Biblique des derniers
gestes dessen Arbeit als Schriftsteller einer vehementen Selbstthematisierung unterzieht. Cf. dazu folgende
Passage aus Tout-monde: „[T]rouver un autre nom que celui de poète: peut-être chercheur, fouailleur, déparleur,
tout ce qui ramène au bruissement dévergondé du conte. Déparleur, oui, cela convient tout à fait.“ (Tout-monde
279).