05.08.2013 Aufrufe

Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Einleitende Überlegungen 19<br />

die Meinung, dass Maximins Protagonisten entweder keine identitären Probleme haben oder<br />

dass sie – wenn sie Ausdruck einer existentiellen Krise oder Leere sind – diesen Konflikt<br />

positiv umwerten und somit postiv erfahren. Dennoch steht der Entwurf einer Identität, die<br />

auf existentieller Leere und dem Mangel aufbaut, auf einem unsicheren Fundament. In den<br />

Romanen überwiegt so auch ein lebensbedrohlicher Unterton, der von Autor wie Kritikern<br />

nur allzu gerne überhört wird, der aber für das Verständnis der Texte zentral ist. Die<br />

Protagonisten bewegen sich permanent am Rande des Abgrunds. Sie sind isoliert und einsam;<br />

wie Vulkan und Zyklon bleiben sie stumm. Während der bisherige Forschungsstand<br />

Maximins Trilogie als schriftgewordene Oralität und Dialogizität interpretiert, lässt sich<br />

nachweisen, dass ein zwischenmenschlicher Dialog, der über Intra- und Intertextualität<br />

hinausgeht, äußerst prekär ist. Statt einer gelungenen Kommunikation veranschaulichen die<br />

Romane polyphone Monolog-Sammlungen, „solos sans solitude“. Um die Isolierung<br />

aufzubrechen, entwickeln die Protagonisten Ersatzstrategien. Sie versuchen, mithilfe von<br />

Verdoppelungen – wie sie auch Glissant häufig einsetzt – von Echobildungen und<br />

Verschriftlichungen eine identitätsstiftende Kontinuität zu schaffen. Aus den Romanen<br />

Maximins spricht zwar nicht gelungene Dialogizität, dafür wird in ihnen das gesprochene, ja<br />

gestammelte Wort als Schrift umso eindrucksvoller gebannt.<br />

Wie Daniel Maximin setzt auch Gisèle Pineau aus Guadeloupe in ihren Romanen das<br />

Motiv des Zyklons als Projektionsfläche physischer Gewalt ein. Doch damit erschöpfen sich<br />

bereits die Parallelen, die zwischen beiden Romanwerken gezogen werden können. Pineaus<br />

Naturbild ist ambivalent und bewegt sich weitgehend zwischen extremen Positionen.<br />

Während sie einerseits – wie im Fall der Zyklonmetapher – die Naturgewalt mit der<br />

(männlichen) Triebnatur überblendet, so dass koloniale Bildmuster als gewalttätig und<br />

masochistisch entlarvt werden, greift sie an anderen Stellen unkritisch auf das gleiche<br />

Bildinventar zurück. Ob sie die kolonialen Motive negativ umwertet oder sie unverändert<br />

übernimmt – Pineau bietet keine originellen Natur- und Landschaftsdarstellungen an. Natur<br />

ist Projektionsfläche für innere Seinszustände oder Entwicklungen der Protagonisten und<br />

dient als Großmetapher für den menschlichen, meist weiblichen Körper. Dabei greift Pineau<br />

immer wieder auf Strukturen der Zweiteilung, der Antithese – wie gut versus böse – zurück.<br />

Auch darin ist Pineaus Schreibweise reaktionär.<br />

Ähnlich wie im Kolonialroman sind die Protagonisten damit beschäftigt, Natur und<br />

Menschen unter ihre Kontrolle zu bringen, zu bändigen oder zu erobern. Nur teilweise bricht<br />

Pineau dieses Streben kritisch. Die Romanfiguren spüren einer Essenz oder einem originären,<br />

essentiellen Zustand nach, um ihre ausufernde Existenz in den Griff zu bekommen. Gelingt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!