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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Joseph Zobel, back to the roots oder back to colonialism? 51<br />

1 Joseph Zobel, back to the roots oder back to colonialism?<br />

Der Martinikaner Joseph Zobel gehört zur ersten Generation von Romanciers, die die<br />

Umwälzungen, die die Lyrik der Négritude in politischer, kultureller und literarischer<br />

Hinsicht mit sich brachte, auch in der Prosa umsetzen wollen. Der Blick der Autoren wendet<br />

sich ab von der städtischen Bourgeoisie der Weißen, Mulatten und wenigen Schwarzen. Er<br />

lässt die békés der Zuckerrohplantagen hinter sich und nimmt erstmals die mehrheitlich arme<br />

schwarze Landbevölkerung ins Visier. In den Romanen Diab’là 1 (1942 geschrieben, 1945<br />

veröffentlicht) und Les jours immobiles 2 sind die Protagonisten die Bewohner eines kleinen<br />

Fischerdorfes. Die Natur wird unter einem neuen Gesichtspunkt beleuchtet: Sie fungiert nicht<br />

mehr nur als exotischer Dekor, sondern wird zum Lebensraum aufgewertet, der das tägliche<br />

Auskommen und die Ernährung der Bevölkerung sichert.<br />

In Diab’là vollzieht der Protagonist gleichen Namens auf symbolische Weise die<br />

Verwurzelung im antillanischen Boden. Diab’là, ein ehemaliger Zuckerrohrarbeiter, lässt sich<br />

im Dorf nieder. Er will dort Ackerbau betreiben und das Dorf, das bisher nur vom Fischfang<br />

lebt, mit Obst und Gemüse versorgen. Vor Diab’làs Ankunft stand das Meer im Mittelpunkt<br />

der Aufmerksamkeit: „Est-on jamais las de regarder la mer? Toujours, semble-t-il un instinct<br />

prédit que c’est par là que viendra le soulagement suprême.“ (Diab’là 38). Das Meer ist die<br />

Öffnung zurück zur verlorenen Heimat und weist den Weg, den die Sklavenschiffe von Afrika<br />

nach Amerika hinter sich gebracht haben. Zobel siedelt damit das Dorf im Kontext der<br />

Rückwendung nach Afrika an, wie sie die Négritude proklamierte. Doch Diab’là gibt sich mit<br />

der utopischen Hoffnung auf eine Erlösung seitens des Meers nicht zufrieden. Er geht<br />

stattdessen die Verwurzelung im Hier-und-Jetzt seines Lebensraums an und erhebt sich zum<br />

Zukunftsträger seines ganzen Volkes: „je sens comme si je suis un peuple, tout un peuple. Et<br />

quand tout un peuple refuse une chose et demande une autre!...“ (Diab’là 173). Sein Projekt<br />

lautet: „implanter la vie!“ (Diab’là 75). Auch damit wendet er sich indirekt gegen die<br />

Übermacht des Meeres. Während nämlich Erde mit Leben gleichgesetzt wird, fordert das<br />

Meer unter den Fischern immer wieder Opfer (Diab’là 83f). Diab’là dagegen macht das Land<br />

urbar, sät und erntet und initiiert die Bewohner zum kollektiven Handeln, das eine relative<br />

Autonomie und eine Selbstversorgung des Dorfes ermöglicht. Überträgt man die Forderung<br />

nach Autonomie und relativer Unabhängigkeit auf die ganze Insel, lässt sich darin auch eine<br />

politische Zielsetzung erkennen: War doch Martinique zur Zeit der Redaktion des Romans<br />

1 Joseph Zobel, Diab’là (1945. Paris: Nouvelles Editions Latines, 1975). Im Folgenden werden Zitate mit der<br />

Abkürzung Diab’là und der jeweiligen Seitenzahl gekennzeichnet.<br />

2 Id., Les jours immobiles (Nedeln: Kraus Reprint, 1970). Im Folgenden werden Zitate mit der Abkürzung Jours<br />

und der jeweiligen Seitenzahl gekennzeichnet.

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