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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur als Projektionsraum: Maryse Condés Traversée de la Mangrove 234<br />

Ähnliches gilt für Carmélien: Auch er findet im Kontakt zum Wasser die Vereinigung<br />

mit der Mutter, die ihm, wie wir an anderer Stelle erfahren 24 , ihre Liebe versagt. Als er bei<br />

seiner Taufe in den Fluß getaucht wird, findet er zurück in den mütterlichen Uterus: „Oui,<br />

c’est à ce moment-là qu’il avait retrouvé le souvenir du ventre maternel quand, sans yeux et<br />

des nageoires au pied, il baignait dans la félicité.“ (Traversée 174). Wie bei Mira ist dem<br />

Wasser die Ambivalenz von Tod und Leben eingeschrieben.<br />

Il aimait la pluie. Il aimait le contact de l’eau, son odeur surtout, soit qu’elle<br />

pleuve chaude des nuages, soit qu’on la surprenne au détour d’une pièce de terre à<br />

l’heure où le soleil l’a portée à l’ébullition, soit qu’elle dorme brunâtre alourdie<br />

d’herbes et de sangsues, soit qu’elle s’encolère et descende des hauteurs,<br />

charroyant des corps d’animaux imprudents. (Traversée 173)<br />

Trotz seiner Liebe zum Wasser in all seinen Formen beschreibt er es als lebensfeindliches<br />

Element und personifiziert es als Todbringerin 25 . Dies wird auch versteckt angedeutet, wenn<br />

seine Mutter ihn davor warnt, in den Regen zu gehen: „Va donc, puisque c’est la mort que tu<br />

veux attraper.“ (Traversée 174).<br />

Hinzu tritt wieder die sexuelle Konnotierung des Wassers. Nachdem Carmélien nämlich<br />

den Roman Gouverneurs de la rosée von Jacques Roumain gelesen hat, setzt er es sich in den<br />

Kopf, ebenso wie Manuel im Wald eine Quelle finden zu wollen. Er zitiert die zentrale<br />

Passage Roumains, in der Manuel seiner Geliebten die neuentdeckte Quelle im Unterholz<br />

zeigt, neben der sie daraufhin miteinander schlafen. Als Carmélien endlich eine neue Quelle<br />

direkt oberhalb der trace Saint-Charles ausfindig gemacht hat, personifiziert er sie zu seiner<br />

Prinzessin und Geliebten: „il courait vers elle, cœur battant, comme un amoureux vers sa<br />

promise“ (Traversée 175). Mit einem coutelas, das als phallisches Symbol Todes- und<br />

Lebensspende in sich vereinigt, räumt er der Quelle ein Bett frei („creuser un lit“, 175) und<br />

fühlt sich als „maître de l’eau“ (Traversée 175), der die dankbare Erde berieselt („irriguant la<br />

terre reconnaissante“, 175). In seiner Phantasie, in der Carmélien im übertragenen Sinn die zu<br />

ihm aufblickende Geliebte dominiert und befruchtet, schafft er sich einen Raum, in dem er<br />

seine Umwelt beherrschen und sein trauriges Dasein als bettnässender kouli malaba vergessen<br />

kann. 26<br />

Seine kompensierenden Machtträume werden jedoch jäh gestört, als jemand in sein<br />

Reich eindringt und in der Quelle badet:<br />

24<br />

Cf. 169, 186.<br />

25<br />

Cf. „chaude“, „ébullition“, „brunâtre alourdies […] de sangsues“, „s’encolère“, „charroyant des corps“ im<br />

oben zitierten Text.<br />

26<br />

Cf. Traversée 175, 179. Die sexuelle Konnotation des Wassers bei Carmélien gilt auch für die Darstellung des<br />

Regens, wenn es an anderer Stelle heißt: „La pluie n’arrêtait pas et les insectes se gorgeaient d’eau avec des râles<br />

de volupté.“ (Traversée 184).

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