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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur als Projektionsraum: Maryse Condés Traversée de la Mangrove 231<br />

Doch zurück zur Ambivalenz des Todesortes von Sancher. Wie bereits erwähnt, handelt<br />

es sich nicht nur um die Stelle im Wald, an der Sancher Opfer seines Fluches wird, sondern<br />

auch um den Anfangspunkt einiger Bekanntschaften mit den Dorfbewohnern – also der<br />

Verästelungen des Geflechts, das den Roman schließlich bildet – und darüber hinaus um den<br />

Ausgangspunkt etlicher Fluchtlinien, die z. B. Mira, Carmélien, Aristide und Vilma den Aus-<br />

Weg zeigen aus der dörflichen Mangrove der „haie de sang-dragons“ aus Bosheit und<br />

Liebesunfähigkeit.<br />

9.2 Die Natur als Projektionsraum<br />

9.2.1 Das Wasser<br />

‚Honneur au Prince sous son nom! La condition de l’homme est obscure. Et<br />

quelques-uns témoignent d’excellence. Aux soirs de grande sécheresse sur la<br />

terre, j’ai entendu parler de toi de ce côté du monde, et la louange n’était<br />

point maigre. Ton nom fait l’ombre d’un grand arbre. J’en parle aux hommes<br />

de poussière, sur les routes; et ils s’en trouvent rafraîchis […].’<br />

Telle est ma lettre, qui chemine. Cependant il m’attend, assis à l’ombre sur<br />

son seuil… 20<br />

SAINT-JOHN PERSE<br />

Eine der Fluchtlinien ist die trace Saint-Charles, deren Spur Mira, Carmélien und Dodose<br />

folgen, um in der Natur das Glück zu finden, das ihnen die Dorfgemeinschaft bzw. Familie<br />

und Partnerschaft vorenthalten. Kraftspendende Lebensquelle ist dabei das Wasser.<br />

Mira, außereheliches Kind des béké Loulou Lameaulnes und der Négresse Rosalie, die<br />

bei der Geburt starb, geht jeden Abend in der Dunkelheit in eine Schlucht zum Baden. Schon<br />

als sie fünf Jahre alt war, stahl sie sich aus dem Dorf, um im Wald ihre verstorbene Mutter zu<br />

suchen, die sie zwischen den großen Baumwurzeln vermutete. Völlig übermüdet rutschte sie<br />

aus und fiel in das Wasser der Schlucht: „Je n’ai jamais oublié cette première rencontre avec<br />

l’eau […]. J’avais retrouvé le lit maternel.“ (Traversée 52). Das Eintauchen in das Wasser der<br />

Schlucht löst bei Mira Einheitsphantasien mit ihrer unbekannten Mutter aus, hier findet sie in<br />

den mütterlichen Bauch zurück und badet von Neuem im Fruchtwasser der Mutter.<br />

Das Wasser ist darüber hinaus sexuell konnotiert. Das Eintauchen Miras in das Wasser<br />

der Schluchten, „sexes grands ouverts“ (Traversée 241), ruft nicht nur<br />

Vereinigungsphantasien mit der Mutter hervor, sondern wird analog zum Geschlechtsakt<br />

beschrieben:<br />

weiterer Hinweis, dass die Suche nach einer wie auch immer gearteten Identität auf den frankophonen Antillen<br />

noch nicht abgeschlossen ist.<br />

20 Saint-John Perse, 1960, 100f.

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