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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur der Antillen im Spiegel der Kolonialliteratur 38<br />

rubans de forêt.“ (Antilles 27). Die Natur wird durch den Rahmen einer Tür oder eines<br />

Fensters betrachtet, die Natürlichkeit künstlich ins Bild gesetzt und fixiert: „Parfois, une porte<br />

ouverte découvre l’allongement étroit d’un couloir, expirant sur des rochers et sur la mer, par<br />

une baie où la vigne, précoce ou attardée, on ne sait jamais ici, suspend ses grappes et ses<br />

feuilles.“ (Antilles 61) 26 . Durch den Ausschnittcharakter der Naturbilder wird die Wirkung<br />

der Natur auf den Betrachter bzw. Leser beschnitten, eingegrenzt, durch die Künstlichkeit<br />

zum ästhetisch genießbaren Objekt verkleinert. Gleiches geschieht, wenn die Distanz<br />

zwischen Betrachter und Landschaft derart vergrößert wird, dass beispielsweise das Meer nur<br />

noch als „lac minuscule“ (Antilles 173) erscheint.<br />

Über die Raumanordnung und die Wahl der Betrachterstandpunkte hinaus lassen sich<br />

die Handlungen der Romanfiguren als Gesten der Naturbändigung lesen. Die Protagonistin in<br />

Antilles… verspürt „le désir d’avoir de ces grosses orchidées qui viennent dans des pots en<br />

tronc de fougère, que l’on suspend aux piliers de la vérandah“ (Antilles 88). Die Blumen der<br />

Gartenanlage werden eingeteilt und klassifiziert (Antilles 95f), gepflückt und ins Auto geladen<br />

(89), Blumen in Flaschen gesteckt und zur Konservierung verschlossen, Samen und Wurzeln<br />

– Symbole der Fruchtbarkeit schlechthin – getrocknet, durchstochen, aufgefädelt und zu<br />

Duftketten oder Rosenkränzen umfunktioniert (Antilles 106, 177). Das Geschenk einer „fleur<br />

précieuse, rose ou orchidée, posée sur un napperon de Venise“ (Antilles 186) evoziert die<br />

Kälte der Edelsteine oder einer aufgebahrten Leiche. Ein Korb voller Früchte, „corne<br />

d’abondance“, wird im Haus zu einer „prestigieuse nature morte“ (Antilles 53) arrangiert. Die<br />

Naturobjekte erlangen erst dann Wertschätzung, wenn sie aus dem Naturzusammenhang<br />

gerissen zur Verschönerung des menschlichen Umfeldes dienen. Erstaunlich ist, dass nie die<br />

existenzielle Bindung des Menschen an die Natur als Nahrungsspender thematisiert wird.<br />

Gleiches gilt für die Jagdszene in Ulysse Cafre. Die Jagd ist pure Leidenschaft. Das Gewehr<br />

macht den Mann zum Herrn über die Welt 27 . Statt Nahrungsbeschaffung steht vielmehr die<br />

Männerphantasie im Mittelpunkt, mit dem Gewehr und seiner eindeutig phallischen Funktion<br />

die Natur zu unterwerfen, zu penetrieren und ihre Fruchtbarkeit allein menschen-, ja<br />

mannesabhängig zu machen.<br />

Während die Mortifikation der Natur in Antilles… dekorativen Charakter hat, steht sie<br />

in Ulysse Cafre vor allem im Zeichen des Christentums. Parallel zu den Versuchen, das<br />

Christentum in der der Hexerei verfallenen Bevölkerung zu verankern, besteht die „passion“<br />

des Père Michaël darin, in seinem Garten die „mauvaises herbes“ (Ulysse 97) auszureißen, für<br />

nützlich befundene Pflanzen zu säen und die Lianen der Hexerei, wie er sie bezeichnet,<br />

26 Cf. auch Antilles 139.<br />

27 Cf. „son fusil [le] rendait le maître de la terre“ (Ulysse 120).

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