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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur als Projektionsraum: Maryse Condés Traversée de la Mangrove 228<br />

il n’est pas toujours bon de barboter dans le premier marigot venu<br />

il n’est pas toujours bon de se vautrer dans la torpeur des mornes<br />

il n’est pas toujours bon de se perdre dans la contemplation gnoséologique<br />

au creux le plus fructueux des arbres généalogiques<br />

(le risque étant de s’apercevoir que l’on est égaré au plus mauvais carrefour de<br />

l’évolution)<br />

alors? 13<br />

Patrick Chamoiseau schlussfolgert in seinen Reflections on Maryse Condé’s ‚Traversée de la<br />

Mangrove’, dass das Scheitern nicht durch die Mangrove bedingt wird, sondern, wenn das<br />

Bild der genealogischen Reflexion auf die gesamte kreolische Bevölkerung übertragen wird,<br />

in der Unmöglichkeit, die eigene Herkunft ganz nachzuvollziehen. Er fragt in diesem<br />

Kontext:<br />

But who among us can claim a distinct genealogy, with well defined, sketched,<br />

and recognized branches? Who among us can claim an unspoiled personal genesis<br />

without absences? What Creole person in the Caribbean today possesses a<br />

transparent past that would authorize certainty? 14<br />

Am Ursprung dieser Argumentation steht Sanchers métissage. Er vereinigt in sich mehrere<br />

Kulturen, trägt einen spanischen und französischen Namen und hat auf allen Kontinenten<br />

gelebt: „On ne sait même pas si c’était un Blanc, un Nègre, un Zindien. Il avait tous les sangs<br />

dans son corps.“ (Traversée 229). Dieser Gedanke passt zwar ganz genau in die Theorie der<br />

Créolité – der Roman Condés wäre in diesem Sinne eine Art romaneske Veranschaulichung<br />

des theoretischen Begriffs der „créolité alluviale“ –, aber er übersieht meines Erachtens eine<br />

belangreiche Tatsache: Sancher kommt gerade nicht aufgrund seiner unklaren Herkunft zu<br />

Tode, sondern er stirbt, eben weil er eine genau definierte Abstammung zurückverfolgen<br />

kann. Die Familiendokumente, von denen im Roman die Rede ist, gehen bis ins 18.<br />

Jahrhundert zurück. Das Scheitern Sanchers ist nicht aus seiner Lebenssituation als<br />

kreolisches Individuum begründet, wie dies Chamoiseau nahelegt, sondern fußt auf der<br />

Eindeutigkeit seiner Genealogie. Sanchers Tod hat mit dem Verschwimmen der kulturellen<br />

Grenzen genau so wenig zu tun wie sein Vorhaben – „terminer une race maudite“ (Traversée<br />

87) – mit dem Konzept einer postkolonialen Diversität in Einklang zu bringen ist.<br />

komme so ein unüberbrückbarer Bruch zutage, der Condés pessimistische Einstellung gegenüber dem Konzept<br />

der Créolité zum Ausdruck bringe: „Our history and culture can neither emerge from nor lead to a collective<br />

experience of past or future, as proponents of ‚créolité’ seem to suggest. Instead, the experience of creolization,<br />

as well as its inscription in a Caribbean literature, is achieved in the relentless negotiation and representation of<br />

the failures and successes of articulation that constitute the true human exchanges among individuals within our<br />

creole community.“ (110f). Balutanskys These wird den Autoren der Créolité und Glissant, den sie als Vorläufer<br />

miteinschließt, nicht gerecht, da sie übersieht, dass in den Theorien und Texten dieser Autoren der Bruch und die<br />

Leere Teil des Gedankengebäudes sind, aber eben ins Positive umgewertet werden.<br />

13<br />

Aimé Césaire, 1982, 25.<br />

14<br />

Patrick Chamoiseau, 1991, 392. Auch Jarrod Hayes interpretiert Sanchers Suche nach seinen Wurzeln in<br />

diesem Sinne. Cf. Jarrod Hayes, 1998.

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