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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Zur Natur im postkolonialen Roman der frankophonen Antillen 49<br />

II Zur Natur im postkolonialen Roman der frankophonen Antillen<br />

Erst als in den 30er Jahren ein in Frankreich vor allem durch den Einfluss der Harlem-<br />

Renaissance eingeleiteter Bewusstwerdungsprozess einsetzt, versuchen die Autoren sich von<br />

der exotistischen, ideologiebehafteten Ikonographie frei zu schreiben, die bis dahin ihr Bild<br />

von den Inseln und von sich selbst in entscheidendem Maße geprägt hat. Eine Gruppe von<br />

Studenten aus Martinique gründet ein Jahr nach der Revue du Monde noir (1931-32) die<br />

Zeitschrift Légitime Défense, die nach einmaligem Erscheinen 1934 ihre Fortsetzung in<br />

L’Etudiant Noir findet, dem Organ der Autoren der Négritude um Léon Damas, Léopold<br />

Sédar Senghor und Aimé Césaire. Im Mittelpunkt des Protests der schwarzen Studenten steht<br />

die überzivilisierte, alles erdrückende europäische Kultur, der das Erbe des afrikanischen<br />

Kontinents als Positivbild gegenübergestellt wird 1 . Diese Aufwertung der afrikanischen<br />

Herkunft war für die schwarze Identitätsfindung ein notwendiger Schritt, um ein neues<br />

Verhältnis zu sich und der eigenen Hautfarbe zu finden. Die einseitige Hinwendung zum<br />

Mutterkontinent Afrika sollte den Antillanern aber zum Problem werden: Zu groß war die<br />

Kluft zwischen Afrika, dem Kontinent alter kollektiver Traditionen und einer im<br />

afrikanischen Boden verwurzelten Memoria, und den Bewohnern der Antillen geworden, die<br />

seit Generationen auf „fremdem“ Boden und unter erheblichem europäischen Einfluss leben,<br />

über keine kulturell einheitliche Matrix und bewusste kollektive Strukturen verfügen. Eine<br />

Heraufbeschwörung der afrikanischen Wurzeln konnte langfristig einer solchen Realität kaum<br />

gerecht werden.<br />

Doch bleiben wir zunächst bei den Verdiensten der Négritude. Aimé Césaires eruptive Lyrik,<br />

vor allem aber seine erste Publikation Cahier d’un retour au pays natal (1939), brachte eine<br />

Lawine des sozialen Protests und die Neudefinition des schwarz-antillanischen<br />

Selbstbewusstseins in Gang. Bei diesem Prozess kommt der literarischen Naturdarstellung<br />

eine bedeutende Rolle zu. Sie ist der Ort, an dem sich der neue Blick auf die antillanische<br />

Realität zu identitätsstiftenden Sprachmodi, Metaphern und Motiven kristallisiert. Die Natur<br />

idyllischer Palmenstrände und tropischer Blumen, die florierenden Bananenhaine und<br />

fröhlich-geschäftigen Zuckerrohrfelder werden von Césaires schockgeladener Poesie zerstört.<br />

Er besingt in krassem Gegensatz zu den pittoresken Idyllen und den paradiesischen<br />

Schlaraffenländern der Kolonialliteratur das tatsächliche Elend und die Entfremdung der<br />

Bevölkerung und fördert unter der verklärenden Maske des Exotismus’ die Vitalität einer<br />

pulsierenden Natur zutage, die mit den Schwarzen im Bunde steht:<br />

1 Zur Entstehung der Négritude verweise ich auf Lilyan Kesteloot, 1963.

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