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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur der Antillen im Spiegel der Kolonialliteratur 33<br />

Landschaften 16 den Ort eines friedfertigen Zusammenlebens aller Arten bilden. Arbeit und<br />

Sorgen sind völlig fern (Loti 36, 47). Statt mühevoll die Erde zu bearbeiten, beschenkt diese<br />

die Bewohner mit der „existence facile“ (Antilles 39), die Früchte nur noch vom Baum<br />

pflücken zu müssen, um den Hunger zu stillen. Der „pacte d’amour“ (Antilles 91) zwischen<br />

Mensch und Natur steht unter dem Zeichen der Süße, des Zuckers, der Grundnahrungsmittel<br />

(Antilles 42) der Bevölkerung ist, ohne dass jedoch die Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern auch<br />

nur am Rande erwähnt wird.<br />

Zentral ist das Motiv des stets in Blüte stehenden Gartens, „terre d’éternel printemps“<br />

(Loti 35), des Gartens Eden. Die klangvollen Namen exotischer Gewächse, Bäume und<br />

Blumen sind omnipräsent, dienen als Schmuck im Haar der Frauen, nicht selten als Epitheton<br />

ornans oder, wie im Fall des nach Inseltradition in den Blumennamen Loti umbenannten<br />

Protagonisten Harry Grant, auch als Name. Der Charakter der Blumen sowie der Frauen ist<br />

rein dekorativ, beide sind jungfräulich und zu Freude und Genuss erschaffen. Nutzpflanzen<br />

oder Heilkräuter werden nie erwähnt. Farben, Geräusche, Gerüche sind sanft und sinnlich<br />

aufeinander abgestimmt. Die Natur mit ihrer verzaubernden Macht ist der locus amoenus par<br />

excellence, der den Liebenden ihre Schlafstätte im Freien bereithält (Loti 62, 226). Die<br />

Frische natürlicher Wasserbecken lädt den Europäer zum ausgelassenen, erotisch konnotierten<br />

Zusammensein mit den Südländerinnen ein, die dort ihrem täglichen Müßiggang<br />

nachkommen:<br />

En tournant à droite dans les broussailles […], on trouvait un large bassin naturel,<br />

creusé dans le roc vif. – Dans ce bassin, le ruisseau de Fataoua se précipitait en<br />

cascade, et versait une eau courante, d’une exquise fraîcheur.<br />

Là, tout le jour, il y avait société nombreuse; sur l’herbe, on trouvait étendues<br />

les belles jeunes femmes de Papeete, qui passaient les chaudes journées tropicales<br />

à causer, chanter, dormir, ou bien encore à nager et à plonger, comme des dorades<br />

agiles. – Elles allaient à l’eau vêtues de leurs tuniques de mousseline, et les<br />

gardaient pour dormir, toutes mouillées sur leur corps, comme autrefois les<br />

naïades. (Loti 15)<br />

Der Autor lässt durch das mit Adjektiven stark ausgeschmückte Szenarium das antike<br />

Griechenland anklingen. Die Frauen sind nicht etwa unbekleidet, sondern hüllen ihre feuchten<br />

und damit umso verführerisch wirkenden Körper in antike Gewänder, wie die Flusssirenen<br />

der griechischen Mythologie. Auch hier wird die zeitliche Rückverschiebung der<br />

exotistischen Wunschträume deutlich: Zur räumlichen Verlagerung in das Paradies vor dem<br />

Sündenfall, materialisiert in der tropischen Insel, gesellt sich die zeitliche Distanzierung durch<br />

die Wiederbelebung eines mythischen „autrefois“ und zugleich eines kindlichen Zustands, in<br />

16 Cf. „paysages souriants“ (Antilles 91)

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