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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Eine Romanwelt der Gegensätze: Gisèle Pineau 204<br />

dieselbe unheilvolle Veranlagung in sich tragen müsse. Als Angela einige Tage bei Eliette<br />

verbracht hat, kündigt sich der Zyklon Hugo an. Die beiden verlassen Savane-Mulet und<br />

machen sich zu Eliettes Patin auf, der Schwester von Eliettes Vater, um in einem sicheren<br />

Steinhaus den Sturm zu überstehen.<br />

Nach dem Trauma der Vergewaltigung durch den eigenen Vater und der schweren<br />

Unterleibsverletzungen, die er ihr zufügte, vergisst Eliette, was vorgefallen ist, und verstummt<br />

für einige Jahre. Ihren Zustand begründet ihre Mutter, die sie vor der Wahrheit schützen will,<br />

mit den Auswirkungen des Wirbelsturms, von dem sie täglich erzählt. Sie überblendet das<br />

Bild des Vergewaltigers mit dem des Dachbalkens, der sich aus dem Gestühl löst und auf<br />

Eliette herabfällt. Das Ungetüm, la bête, ist nun die Personifikation des Zyklons selbst. Der<br />

Zyklon – die Großschreibung im folgenden Zitat deutet darauf hin – wird zur mythischen<br />

Entität, die für alle Ungereimtheiten in Eliettes Leben eine Erklärung liefert. Eliette, die am<br />

Beginn des Romans noch der Meinung ist, sich an den Sturm erinnern zu können, muss<br />

erkennen, dass sie sich in Wirklichkeit an gar nichts erinnern kann:<br />

Le Cylone l’avait rendue ainsi, lâche, indifférente, faible et molle. Elle avait gardé<br />

quelques rares souvenirs des événements. Avec le temps…<br />

Non, en vérité, Éliette ne se souvenait de rien. C’était sa manman qui lui<br />

racontait toujours la nuit où le Cyclone avait chaviré et pilé la Guadeloupe.<br />

(Espérance 93)<br />

Ihr Leben verläuft seither in immer gleichen Bahnen. Eliette hat sich völlig von der<br />

Außenwelt und ihrem Innenleben abgeschottet, um so wenig verletzlich zu sein wie nur<br />

möglich: „Seulement qu’on me laisse exister dans la paix de ma case.“ (Espérance 9).<br />

Prägnanterweise wählt sie nicht das Verb „vivre“, sondern nimmt Vorlieb mit „exister“ und<br />

„vivre encore un peu“ (Espérance 21). Vor unliebsamen, unerwünschten Gedanken läuft sie<br />

davon:<br />

Alors un lot de pensées a déboulé de la rue et y en a même qui se sont mises à me<br />

poursuivre. J’ai voulu marcher à plus grand train. Si j’avais été jeune, j’aurais<br />

couru jusqu’à Savane pour fuir cette rue de Ravine-Guinée où les pensées<br />

sortaient comme des crabes de leurs trous et me montaient dessus, moi, Éliette<br />

Florentine. (Espérance 18)<br />

Wie aus unterirdischen Erdlöchern kommen die bösen Erinnerungen in der Gestalt kleiner<br />

Erdkrebse aus ihrem Unterbewussten hervor. Das Bild des Lochs und die Formulierung „me<br />

montaient dessus“ verweisen auf den Inhalt der Gedanken, die Eliette zu unterdrücken<br />

versucht. Auch nachts verfolgen sie Wahnvorstellungen:<br />

Certains soirs, elle aurait juré qu’une bête égarée se tenait debout derrière sa porte,<br />

balançant entre deux idées: rentrer pour l’égorger ou bien attendre que son cœur<br />

déraille et s’arrête. Des moments, elle entendait, clairs, deux souffles qui luttaient<br />

et s’opposaient sans paroles. (Espérance 27)

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