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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Die Natur der Antillen im Spiegel der Kolonialliteratur 47<br />

Die melancholische, lebensmüde Landschaft wird darüber hinaus stillgestellt, indem sie<br />

künstlich in Szene gesetzt wird, abgesehen davon, dass die Landschaftselemente, die der<br />

Autor in Szene setzt, bereits idealisiert und plastifiziert wirken. Der Autor Loti bezeichnet den<br />

beschriebenen Ausschnitt kurzum als „tableau fantastique“ (Loti 21), „tableau original“ (Loti<br />

173) oder „ce grand tableau qui allait disparaître“ (Loti 209). Dies wirkt jedoch weniger subtil<br />

als die wie zufällig wirkenden perspektivischen Eingrenzungen, die beispielsweise den Blick<br />

aus einem Fenster oder eine offen stehende Tür so einschränken, dass das wahrgenommene<br />

Panorama wie ein lebendiges Bild betrachtet werden kann.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die letzte Konsequenz der Handlungsstruktur<br />

und Motivik der Tod der tropischen, fremden Natur ist. Sie erstarrt zum Bild, zur Erinnerung,<br />

zu einem bald vergessenen Traum. Am Ende des Romans ist die Distanz zwischen ihr und<br />

Europa wiederhergestellt. Mariage de Loti zeichnet wie die späteren Kolonialromane eine<br />

Landschaft, deren Bild im Akt des Schreibens wieder gelöscht, mortifiziert wird. Queffelec<br />

beschreibt das Verhältnis des exotistisch-romantischen Reiseroman zum Kolonialroman<br />

folgendermaßen:<br />

On pourrait voir ainsi dans tout roman d’aventures exotique à la fois la<br />

construction et la destruction de l’espace exotique. Si les deux mouvements<br />

coexistent toujours dans le roman exotique, ils le font toutefois en des proportions<br />

variables: l’exotisme reste dans le romans d’aventures de la période romantique<br />

(Dumas, Sue, Soulié) de l’ordre du rêve et de la distance entretenue, donc résiste<br />

mieux à la destruction qu’il ne le fait dans le roman américain, puis colonial, où la<br />

référentialité plus forte de la description, et l’avertissement plus grand du roman à<br />

l’idéologie ont pour résultat l’évanouissement du mirage exotique 42 .<br />

Die Literatur des Exotismus’ und Kolonialismus’ schreibt sich in Prosa und Poesie bis zur<br />

literarischen Ausstellung „Les Antilles heureuses“ fort, die 1945 in Paris stattfand. 43 Obwohl<br />

die Autoren, zum Teil Reisende oder Verwaltungsbeauftragte aus der Metropole, zum Teil<br />

Ansässige der weißen Oberschicht oder Mitglieder des farbigen Bürgertums der Städte, bis<br />

auf wenige Ausnahmen in Vergessenheit geraten, ist der Einfluss ihres Imaginariums auf die<br />

nachfolgenden Generationen nachhaltig. Die idyllischen Motive, das exotische Dekor, das<br />

unrealistisch Pittoreske, das die Inselwelt mit einer verfälschenden couleur locale überpinselt,<br />

verleugnen nicht nur das Wesentliche des Lebens und des Menschen auf den Antillen,<br />

sondern prägen das Schreiben so grundsätzlich, dass eine Darstellung, ein Blick auf die eigene<br />

Realität immer zugleich der Blick aus den Augen des Anderen, des Fremden ist. Das Problem<br />

der antillanischen Autoren besteht darin, die Projektionen westlicher Mythen auf die eigene<br />

Lebenswelt zu wiederholen und nachzuahmen. Léon Damas, der als Guyaner in einem<br />

42 Lise Queffelec, 1988, 358.<br />

43 Cf. Astrid Rauße, 1996, 15.

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