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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Patrick Chamoiseaus problematischer Schritt in die Welt 297<br />

Der Text setzt sich aus heterogenen Bausteinen zusammen und trägt im ersten Teil der<br />

Kindheitserinnerung polyphone Züge. Dort wird die Kindheit aus der Sicht der Eltern,<br />

Bekannten oder auch der Hexe dargestellt, wobei diese Passagen durch eine Einrückung vom<br />

restlichen Text getrennt sind. Den größten Teil bilden die Erzählungen von Balthazars Leben<br />

und von den Vorkommnissen der Sterbewache, die aus der Perspektive des Erzählers Patrick<br />

Chamoiseau berichtet werden. Diese Passagen wechseln teilweise übergangslos zu einer Ich-<br />

Erzählung, in der Balthazar selbst das Wort zu ergreifen scheint. Außerdem sind<br />

Zeitungsartikel, Zitate Balthazars aus abgedruckten Interviews, kommentierende Fußnoten<br />

und Zitate aus den Gesängen „Notre morceau de fer“ des kreolischen Erzählers Isomène<br />

Calypso eingestreut. Im Anhang an den Haupttext folgen eine Reihe von Anmerkungen, dann<br />

Danksagungen des Autors und schließlich Sprichwörter Man L’Oubliées und „Le livre des Da<br />

contre la Malédiction“ mit volkstümlichen Anleitungen und Hausrezepten zur Entbindung.<br />

12.4 „Livret des Lieux du deuxième monde“: der Un-Ort am Puls der Natur<br />

Die Anklänge des Livret des villes du deuxième monde an das Heft der „Lieux du deuxiéme<br />

monde“, das in Biblique eingeschaltet ist, geht über den Gleichlaut der Titel hinaus. Durch die<br />

Herausgeberfiktion im Einleitungstext des Livret des villes du deuxième monde entsteht der<br />

Eindruck, dass es sich bei dem zufällig entdeckten und anonymen Manuskript in französisch-<br />

antillanischem Kreolisch um das Heft Balthazars handeln könnte. Wie der anonyme Autor des<br />

Livret hat auch Balthazar die Insel früh verlassen und ist den Spuren der „zweiten Welt“<br />

gefolgt 29 . Die Utensilien, mit denen das Heft gefunden wurde, scheinen aus Balthazars<br />

Reisesack zu stammen, der neben dem „Livret“ eine alte Weltkarte aus Déborah-Nicols<br />

Besitz, Anaïs-Alicias Gedichtbände und natürlich allerlei Kampfgerät mit sich herumtrug:<br />

Ce carnet fut retrouvé sur un cargo échoué dans un port de Bangkok. Avec des<br />

bottines éprouvées, des armes blanches, un déglingué fusil, des livres de poésie,<br />

une vieille mappemonde, et quelques hardes fétides qui témoignaient des sueurs<br />

d’une errance incessante. 30<br />

Im Gegensatz zu Balthazar, der am Ende der Kriegserlebnisse zusammen mit seinem Gepäck<br />

Martinique erreicht und dort einen ruhigen Lebensabend verbringt, war es dem Besitzer des<br />

Livret des villes du deuxième monde anscheinend nicht beschieden, seine Heimat zusammen<br />

mit den Objekten seiner Reisen zu erreichen. Wenn er sie nicht verloren hat, so beendete er<br />

seine „errance incessante“ folgerichtig mitten in der Welt. Hat der Schreiber des Buches<br />

zahlreiche Irrfahrten hinter sich, so trifft das auch auf das Buch selbst zu. Auf unzähligen<br />

Umwegen und durch unglaubliche Zufälle gerät es in die Hände des Erzählers, der es sich zur<br />

29 Ibid. 13.<br />

30 Ibid. 14.

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