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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Mangrove urbaine et poétique: Texaco von Patrick Chamoiseau 286<br />

Landschaft, die aus einer distanzierten Perspektive durch einen Betrachter wahrgenommen<br />

wird, der sich selbst, d. h. seinen Körper außerhalb des Naturzusammenhangs positioniert.<br />

Während der magischen Betrachtung hebt sich die Grenze zwischen Natur und Mensch auf.<br />

Esternomes Vater, der den Naturzusammenhang als Geheimnis erfährt und bis zu seinem<br />

Lebensende überrascht ist, dass es Vögel gibt und dass sie wegfliegen können 40 , überträgt<br />

seine Naturliebe auf seine Frau. Ameisen suchen sich jedoch deren Augen als Nistplatz aus,<br />

während sie, „allongée dans les herbes, le regard offert à des nids de fourmis“ (Texaco 50),<br />

die Ameisen in deren Schönheit bewundert. Die Distanz zwischen Sehendem und Gesehenem<br />

hebt sich genau dort auf, wo sie entsteht: im Auge.<br />

Grenzen zwischen Mensch und Natur verschwimmen auch dort, wo sich Menschen in<br />

ständiger Metamorphose zwischen Menschen- und Tiergestalt befinden. Sowohl Esternomes<br />

Vater, dessen Federn die Landschaft unter ihrem Glanz verzaubern, als auch Adrienne<br />

können sich in Vögel verwandeln. 41 Iréné ist nicht nur ein begabter Fischer, sondern selbst<br />

„chair de mer“ (Texaco 413). Daneben erwähnt der Text verzauberte Tiere oder Steine, die<br />

einen boshaften Zauber über die verhasste Person bringen sollen. 42<br />

Die magische Natur spielt allerdings nur am Rande des Romans eine Rolle und wird<br />

interessanterweise in ihrer Beschreibung nicht als gegeben dargestellt, sondern kritisch<br />

gebrochen. So heißt es über Esternome: „Depuis cela, mon Esternome se montra crédule des<br />

diableries. Les vents, la lumière, les brins d’ombres du monde lui apparurent sanctuaires de<br />

puissances invisibles“ (Texaco 65). Dadurch, dass die Natur eben nur so erscheint, aber nicht<br />

eindeutig ist 43 , schaltet der Text eine ironische Ebene ein, die z. B. klar zu Tage tritt, als Ti<br />

Cirique die traurigen Gesänge der gefürchteten diablesses de la Doum als „ballades<br />

hollandaises“ (Texaco 374) identifiziert. Am Ende des Buches, in dessen Verlauf die Natur<br />

der chronologischen Entwicklung folgend zunehmend entzaubert wird, da Marie-Sophie den<br />

magischen Glauben ihres Vaters nicht übernimmt, sind die diablesses de la Doum ganz<br />

verstummt. Stattdessen vernimmt der Marqueur de Paroles die Gesänge und das Konzert<br />

Texacos: „Cet amas de fibrociment et de béton développait des vibrations bien nettes“<br />

(Texaco 423).<br />

40 Cf. Texaco 48.<br />

41 Cf. Texaco 61, 199.<br />

42 Cf. Texaco 224, 235.<br />

43 Cf. auch : „Et eux, [les Mentôs] reflets de lune ou d’ombre, semblaient aller sans se déplacer“ (Texaco 163).

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