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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Mangrove urbaine et poétique: Texaco von Patrick Chamoiseau 279<br />

11.2 Texaco: la conscience non totalitaire d’une diversité préservée<br />

Mit der Passage des Morne Abélard rückt das naturgeformte Leben in den Bergen näher an<br />

die Stadt heran, ohne dass sich die Bewohner des Quartiers jedoch in die Struktur von l’En-<br />

ville einfügen können. Erst nach der Gründung Texacos kommt es zum offenen Kampf<br />

zwischen l’En-ville und dem illegalen Viertel. Bezeichnenderweise hat sich Marie-Sophie für<br />

ihr zukünftiges Wohngebiet gerade das Gelände der Ölfirma Texaco ausgesucht, gelegen<br />

zwischen dem Abhang eines morne und der Mangrove Marigot-Bellevue, in der sich die<br />

magische und geheimnisumwobene Doum von Papa Totone befindet.<br />

Bereits die Lage ist symbolisch aufzufassen. Texaco vereint in sich Natur, dies in der<br />

Form der wuchernden, sich selbst schöpfenden und in ständiger Transformation befindlichen<br />

Mangrove, und das moderne Zeitalter des allmächtigen Öls. Die Höhenlage der mornes, in die<br />

sich jahrhundertelang die nègres marrons vor den Sklavenhaltern geflüchtet haben und so zu<br />

systemexternen Hütern der Vergangenheit wurden, ist genauso inbegriffen wie die<br />

Niederungen mit den Plantagen der békés und den aufstrebenden Städten. Beton und die<br />

magischen Bäume der Doum, „âme végétal de notre Texaco“ (Texaco 320), leben in<br />

Symbiose miteinander. Ohne den stärkenden Beistand Papa Totones, der die kulturellen<br />

Wurzeln, die Parole, die Memoria, ja die Force des kreolischen Volkes bewahrt, hätte das<br />

Viertel die ständigen Zerstörungen durch die Stadtverwaltung und den béké von Texaco nicht<br />

überlebt. Nur mithilfe des kreolischen Wissensschatzes von Papa Totone gelingt die<br />

Adaptation an die Modernität, die im nostalgischen Noutéka-Projekt scheiterte.<br />

Texaco bezieht seinen Treibstoff aus der angrenzenden Mangrove, die, wie bereits<br />

erläutert wurde, das Symbol der kreolischen Kultur schlechthin ist. So wird Texaco als<br />

„mangrove urbaine“ (Texaco 426) bezeichnet, als Auffangbecken für alle in der Stadt<br />

Gestrandeten. Texaco formiert die Gegensätze der martinikanischen Lebenswirklichkeit in ein<br />

organisches Ganzes, ein Mosaik, in dem jedes einzelne Element den Gesamteindruck<br />

konstituiert. So bildet das Viertel Texaco die in der Éloge de la créolité formulierte Forderung<br />

räumlich ab: „C’est exprimer une totalité kaléidoscopique, c’est-à-dire la conscience non<br />

totalitaire d’une diversité préservée.“ 17 Die integrative Kraft Texacos spiegelt sich im<br />

makroskopischen Überblick der Lage des Dazwischen – zwischen l’En-ville und Doum,<br />

zwischen Berg und Niederung, zwischen Wasser und Land – genauso wieder wie auf der<br />

Mikroebene. Indem die Häuser aus Materialien aller Art und Herkunft zusammengestückelt<br />

sind, veranschaulicht auch die Bauweise das Miteinander des Verschiedenen: „Nos cases [...]<br />

semblaient de délirantes mosaïques: des bouts de toutes qualités s’ajoutaient à des éclats de<br />

17 Ibid. 28.

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