Teil I Gesetzliche, tarifliche und faktische Entwicklung der Altersteilzeit
Teil I Gesetzliche, tarifliche und faktische Entwicklung der Altersteilzeit
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Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
stattfanden, so dass die Belegschaft in vielen Betrieben sich ausschließlich auf die<br />
mittlere Altersgruppe (35 – 55 Jahre) konzentriert. Diese in den Unternehmen noch<br />
unzureichend thematisierte Altersstruktur („gestauchte Alterspyramide“) wird daher in<br />
diesem Jahrzehnt zur weiteren Alterung <strong>der</strong> Belegschaften in vielen Betrieben führen.<br />
Gleichzeitig wird <strong>der</strong> „demographische Umbruch“, d. h. die Alterung <strong>der</strong> Wohnbevölkerung,<br />
auch zur Alterung <strong>der</strong> Erwerbsbevölkerung führen 1 . Während die Belegschaften<br />
altern, rücken aus demographischen Gründen gleichzeitig weniger Nachwuchskräfte<br />
nach. In den Unternehmen wird diese demographische <strong>Entwicklung</strong> in langfristiger<br />
Perspektive noch kaum thematisiert. Werden die Unternehmen in <strong>der</strong> Lage sein,<br />
die steigenden Anteile älterer Arbeitnehmer/innen überhaupt zu beschäftigen (ohne<br />
die Arbeits-, Leistungs-, Weiterbildungsbedingungen gr<strong>und</strong>legend zu verän<strong>der</strong>n)? Viele<br />
Unternehmen stecken bereits in <strong>der</strong> „demographischen Falle“ (zu viele Frührentner/zu<br />
wenig Nachwuchs): Die Kernbelegschaft im mittleren Alter wächst allmählich in die<br />
Kategorie <strong>der</strong> „älteren Arbeitnehmer“ hinein. Bereits in zehn Jahren werden nur noch<br />
20 Prozent <strong>der</strong> Erwerbspersonen jünger als 30 Jahre sein, während ein Drittel <strong>der</strong><br />
Erwerbstätigen bereits die Altersgrenze von 50 Jahren überschritten haben wird. Die<br />
Situation ist paradox: Einerseits klagen schon jetzt viele Unternehmen über Fachkräftemangel,<br />
an<strong>der</strong>erseits sind das Erwerbsleben <strong>und</strong> die Laufbahnen in den Unternehmen<br />
darauf ausgerichtet, Mitarbeiter bereits ab 55 Jahren in den Vorruhestand zu<br />
schicken. Vielleicht lässt sich diese <strong>Entwicklung</strong> mit dem Bild einer „Gr<strong>und</strong>see“<br />
vergleichen, die durch das Zusammentreffen zweier entgegengesetzter Strömungen<br />
entsteht: Während auf <strong>der</strong> einen Seite auf betrieblicher Ebene die Frühverrentung<br />
fortgesetzt <strong>und</strong> durch die hohe Arbeitslosigkeit legitimiert wird, wird auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite auf gesellschaftlicher Ebene aufgr<strong>und</strong> des demographischen Wandels eine<br />
längere Berufstätigkeit <strong>der</strong> älteren Beschäftigten gefor<strong>der</strong>t. Dabei wird jedoch nicht die<br />
Frage beantwortet, welche Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsbedingungen sowie Weiterbildungsmaßnahmen<br />
für eine längere Beschäftigung „älterer Arbeitnehmer“ eigentlich<br />
notwendig wären, damit diese die Regelaltersgrenze wie<strong>der</strong> erreichen können. Eine<br />
„altersgerechte“ Personalpolitik, die sich den Herausfor<strong>der</strong>ungen des demographischen<br />
Wandels stellt, müsste gegenüber <strong>der</strong> vorherrschenden „jugendzentrierten“<br />
Personalpolitik erst noch entwickelt werden.<br />
Der Auffor<strong>der</strong>ung des Gesetzgebers, bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren erwerbstätig<br />
zu bleiben, steht die betriebliche Praxis <strong>der</strong> Ausglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> älteren<br />
Beschäftigten ab 55 Jahren entgegen. Damit entsteht objektiv die Schwierigkeit –<br />
wenn nicht sogar Unmöglichkeit – für die älteren Erwerbspersonen, bis zur Regelaltersgrenze<br />
erwerbstätig zu bleiben. Da sich die Kluft zwischen dem Lebensalter beim<br />
Austritt aus dem Erwerbsleben <strong>und</strong> dem gesetzlich normierten Rentenzugangsalter<br />
weiter vertieft, wird auch <strong>der</strong> Übergang in den Ruhestand immer „prekärer“, die<br />
Zeitspanne zwischen dem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
1 Vgl. dazu das vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung geför<strong>der</strong>te Forschungsprojekt<br />
„Demographischer Wandel <strong>und</strong> Zukunft <strong>der</strong> Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“.