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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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eängstigende Messgeschehen auch Faszination hervorrufen. Grundsätzlich dominiert die<br />

Abscheu gegenüber diesen Handlungen und kann vom autobiographischen Ich nur dann hinter<br />

sich gelassen werden, wenn der Kirchenraum zusammen mit Musik erlebt wird.<br />

Anhand der zeitlichen Verortung des geschilderten Geschehens und der Beschreibung<br />

kirchlicher Handlungen lässt sich erkennen, dass das Zweite Vatikanische Konzil noch nicht<br />

stattgefunden hat, damit also auch Reformen, die manche der beschriebenen Handlungen<br />

verändert hätten, zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten sind. Die Passivität der<br />

Gläubigen, das vornehmlich lateinische Messgeschehen, der Stellenwert der Krankensalbung<br />

bzw. „Letzten Ölung“ stehen allesamt noch <strong>für</strong> die vorkonziliare Zeit und wurden im Zweiten<br />

Vatikanum einer Veränderung unterzogen.<br />

Manipulation, Machtanspruch und Entmündigung kennzeichnen schon die Begegnungen mit<br />

dem geistlichen Personal im Umfeld von Krankenhaus und Lungenheilanstalt. Jene drei<br />

Anklagepunkte werden in den autobiographischen Erzählungen aber auch in politischen<br />

Zusammenhang gebracht. Diesem Aspekt widmete sich das letzte Kapitel dieser Arbeit.<br />

Verbunden mit Erlebnissen im Internat, wird Kritik an der katholischen Kirche zusammen mit<br />

einer generellen Kritik am österreichischen Staat bzw. der Stadt Salzburg hervorgebracht und<br />

auf den politischen Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft jetzt und damals hingewiesen.<br />

Das Katholizismus-Bild der Bernhardschen Autobiographie wird hier um ein zusätzliches<br />

Segment ergänzt, ein Segment, welches denn auch in den bereits genannten späteren Werken<br />

eine zentrale Rolle spielt und noch imposanter zur Sprache gebracht wird.<br />

Katholizismus sei dabei kein Phänomen, das auf den Kirchenraum oder karitative Tätigkeiten<br />

außerhalb davon begrenzt sei, sondern das weit darüber hinaus reiche und gewaltigen<br />

politischen Einfluss ausübe. Die Amtskirche gleiche einer politischen Partei, die zwar zum<br />

Teil mit unkonventionelleren Mitteln arbeite, aber genauso nach Macht und Besitz strebe. Das<br />

seelische Wohl der Gläubigen sei nur ein vorgeschobenes Alibi, um die Massen zu sich zu<br />

locken. Die Autobiographie benennt als Missstände der kirchlichen <strong>Institut</strong>ion zum einen die<br />

finanzielle Ausbeutung, zum anderen die seelische und geistige Zerstörung der Gläubigen.<br />

Beides festige den katholischen Machtapparat. Für das explizit politische Walten der Kirche<br />

hat Bernhard die Wortverbindung „katholisch-nationalsozialistisch“ kreiert. Aufgezeigt<br />

wurde, dass diese Wortverbindung neben ihrer provozierenden Funktion auch einen<br />

Wahrheitsgehalt besitzt, da sie einen Teil des österreichischen Gesellschaftsklimas benennt<br />

und auf historischen Gegebenheiten fußt. In diesem Zusammenhang wurde auch auf den<br />

Historiker Friedrich Heer verwiesen, der antijudaistische Tendenzen der katholischen Kirche<br />

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