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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Abgrenzung der Begrifflichkeiten. Interessant ist hierbei die Tatsache, dass die „Vorhölle“<br />

ausschließlich im Band Der Keller aufscheint und hier auch in Gleichsetzung oder<br />

Abgrenzung dazu die „Hölle“ überproportional oft angeführt wird.<br />

„Vorhölle“, oder theologisch gebräuchlicher „Limbus“, bezeichnet einen Zustand oder Raum,<br />

der zwischen Himmelreich und Hölle anzusiedeln ist, die „Anschauung Gottes ausschloß“<br />

und mit sogenannten positiven Strafen verbunden war. 145 Im Mittelalter entwickelte sich dabei<br />

die Vorstellung einer Differenzierung der Vorhölle in den „limbus infantium“ (auch „limbus<br />

puerorum“), in welchen ungetauft gestorbene Kinder gelangten 146 , und den „limbus patrum“<br />

<strong>für</strong> die vor Christi Geburt Verstorbenen 147 . Die Vorhölle beanspruchte dabei ebenso einen<br />

ewig andauernden Zustand wie die Hölle, wurde jedoch, wie soeben dargelegt, nicht als Ort<br />

der tatsächlich Verdammten angesehen. Auch ist die Vorhölle nicht mit dem Stadium im<br />

Fegefeuer zu verwechseln, da dieses <strong>für</strong> die Läuterung jener erdacht wurde, die ohne<br />

Todsünde starben 148 , zudem ist es mit dem Tag des Gottesgerichts zeitlich begrenzt. Wenn der<br />

Zustand der Vorhölle auch seit jeher diskutiert wurde und dem Bereich spekulativer Theologie<br />

zuzuordnen ist 149 , so handelt es sich dennoch um eine signifikant katholische Theorie – die<br />

Reformation negiert „die Vorstellung von Fegfeuer und Limbus aus biblischen und<br />

theologischen Gründen“ 150 .<br />

Es ist die Scherzhauserfeldsiedlung, zu deren Beschreibung zum ersten Mal der Terminus<br />

„Vorhölle“ herangezogen wird – der Bernhardsche Wiederholungsstil gibt den Namen der<br />

Siedlung wie auch ihre Gleichsetzung mit der Vorhölle genau gleich oft wieder:<br />

[…] naturgemäß erinnere ich mich der Menschenvorhölle, als welche ich <strong>für</strong> mich die<br />

Scherzhauserfeldsiedlung immer bezeichnet habe. Ich habe nicht gesagt, ich gehe in die<br />

Scherzhauserfeldsiedlung, wenn ich in die Scherzhauserfeldsiedlung gegangen bin,<br />

sondern ich habe gesagt, ich gehe in die Vorhölle. Jeden Tag trat ich in die Vorhölle ein, die<br />

von der Salzburger Stadtverwaltung <strong>für</strong> ihre Ausgestoßenen gebaut worden ist. Wenn es<br />

die Vorhölle gibt, habe ich damals gesagt, so sieht sie aus wie die<br />

Scherzhauserfeldsiedlung. (Ke 36)<br />

145 Vgl. Kasper, Walter (Hg.): Lexikon <strong>für</strong> Theologie und Kirche, Bd. 6, Sp. 936.<br />

146 Die Vorhölle <strong>für</strong> ungetaufte Kinder wurde mittlerweile jedoch von Papst Benedikt XVI. abgeschafft, siehe<br />

dazu: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,478599,00.html (9.2.2012)<br />

147 Vgl. Kasper, Walter (Hg.): Lexikon <strong>für</strong> Theologie und Kirche. Bd. 6, Sp. 936.<br />

148 Vgl. Biser, Eugen und Ferdinand Hahn u.a. (Hg.): Lexikon des christlichen Glaubens, S. 203.<br />

149 Vgl. ebd., S. 104.<br />

150 Vgl. ebd., S. 203.<br />

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