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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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tatsächlich nur ausgenützt und erhalten im Gegenzug nichts zurück. Damit wird nicht in erster<br />

Linie eine göttliche Instanz negiert, sondern die Leistungen des „Vereins Kirche“ als<br />

mangelhaft und unzureichend abqualifiziert, als verlogen und kriminell dargestellt. Auch<br />

Barbara Vitovec betont, dass die Kritik an der Amtskirche keinesfalls automatisch eine<br />

Ablehnung des Glaubens an sich bedeutet. 221<br />

6.1.2. Vernichtung von Seele und Geist<br />

Die Kirche fügt den Gläubigen nicht nur in finanzieller Hinsicht Schaden zu, ihre<br />

Wirkungsmacht reicht weitaus tiefer. Nicht die Rettung oder Erbauung der Seele, sondern ihre<br />

Vernichtung wird betrieben: „[U]nd dann, als eine der größten Vernichterinnen, übernimmt<br />

die Kirche (übernehmen die Religionen) die Vernichtung der Seele dieses neuen Menschen<br />

[…].“ (Ur 86) Der Vorwurf wird nicht weiter ausgeführt, ein typisches Merkmal <strong>für</strong> Bernhard.<br />

Die Essenz dieser Aussage verweist auf das ungeheure Machtpotenzial der Kirche. Sie<br />

vermag es, in das Innerste des Menschen vorzudringen, in das Seelenheil eines<br />

Heranwachsenden einzugreifen und Zerstörung anzurichten. Dabei beschränkt sich die<br />

Anschuldigung nicht allein auf die katholische Kirche, sie nimmt in diesem Fall eine<br />

universelle Dimension an: Die Religionen generell werden hier angeklagt. Die Absicht, sich<br />

des Einzelnen zu bemächtigen, ihn zu indoktrinieren und in der Folge seelisch zugrunde zu<br />

richten, ist allen Konfessionen ohne weitere Differenzierung gemein. Das Anhängen einer<br />

Konfession hat demnach immer verheerende Auswirkungen auf die eigene seelische<br />

Verfassung; diese wird gezielt manipuliert.<br />

Nicht nur die Seele, das Gewissen und die irrationale Gefühlswelt der Gläubigen werden<br />

ruiniert, mit der Verbreitung von Stumpfsinn und Kleingeist greift die Kirche auch in den<br />

Geist der Menschen ein. Sie manipuliert ihre Gläubigen, verhindert eigenständiges und<br />

kritisches Denken und kann so ihre Machtposition erhalten:<br />

[...] sozusagen vom Berg der Weisheit blickte man auf die Niederungen des<br />

Kleinbürgertums hinunter, in welchen, wie mein Großvater zu sagen nicht müde wurde,<br />

der Katholizismus sein stumpfsinniges Szepter schwang. Was unterhalb Ettendorf lag, war<br />

nur die Verachtung wert. Der kleine Geschäftsgeist, der Kleingeist überhaupt, die<br />

Gemeinheit und die Dummheit. Blöd wie die Schafe scharen sich die Kleinkrämer um die<br />

Kirche und blöken sich tagaus, tagein zutode. (Ki 29)<br />

221 Vgl. ebd., S. 45.<br />

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