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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Glaube des Adolf Hitler kennzeichnet Heer das Wesen Adolf Hitlers explizit als<br />

österreichisch-katholisch 232 und macht bewusst, dass „eine wichtige geistige Wurzel der<br />

Naziideologie“ in den antisemitischen Elementen der katholischen Kirche beheimatet ist. 233<br />

Auch Bernhard erachtet den „autoritäre[n] österreichische[n] Katholizismus“ als Fundament<br />

<strong>für</strong> die nationalsozialistische Ideologie und bezieht sich dabei in erster Linie auf die<br />

katholische Machtposition und die bedingungslose Unterwürfigkeit der Anhänger. 234 Ebenso<br />

stellt Heer den „österreichischen Anti-Judaismus“ als eine der „massiven Kontinuitäten der<br />

Ersten und Zweiten Republik“ heraus, der sich in unterschiedlichen Variationen in der<br />

politischen Landschaft Österreichs ausgebreitet habe. 235 Auch in dieser Aussage ist die Nähe<br />

zu Bernhard offensichtlich. Friedrich Heer konstatiert der österreichischen Gesellschaft<br />

zudem einen auch nach 1945 bestehen gebliebenen, nationalsozialistischen Habitus und geht<br />

somit auch in diesem Punkt mit Thomas Bernhard d'accord:<br />

Es gibt eine Klima-Lage, eine mentale Befindlichkeit, in der sehr viele Österreicher heute<br />

leben, die zutiefst durch Elemente dieser Vergangenheit geprägt ist, zutiefst<br />

antidemokratisch […], anti-humanistisch, illiberal, toleranzfeindlich. Die<br />

„Menschenrechte“ existieren existentiell <strong>für</strong> diese Menschen nicht. Diese Menschen bilden<br />

die erschreckende Mehrheit in Österreich. […] Was hier sich bekundet, ist nicht Primär-<br />

Nationalsozialismus […], sondern dies: nationalsozialistische Mentalität,<br />

nationalsozialistische Formulierungen […]. Diese Erfolge sind die geschichtsmächtigsten<br />

Erfolge des „alten“ österreichischen Nationalsozialismus. 236<br />

Friedrich Heer untermauert hier aus historischer Sichtweise Bernhards Aussagen und fängt<br />

das Klima in Österreich nach 1945 mit dem Begriff „Sekundär-Nationalsozialismus“ 237 ein,<br />

der sich unbewusst in einem Gros der österreichischen Bevölkerung eingenistet hat. Dieser<br />

„Sekundär-Nationalsozialismus“ ist es denn auch, den das Erzähler-Ich der Autobiographie<br />

wahrnimmt und kritisiert. In dem Bewusstsein der vorhandenen Missstände und ihrer<br />

Anprangerung befinden sich Thomas Bernhard und Friedrich Heer auf einer Linie – einmal<br />

literarisch, einmal geschichtswissenschaftlich artikuliert. Und tatsächlich kann man auf der<br />

Grundlage von Zeugnissen davon ausgehen, dass bereits sehr früh ein direkter Kontakt<br />

zwischen den beiden Persönlichkeiten bestanden haben muss. Heer äußerte sich 1983<br />

232 Vgl. Heer, Friedrich: Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität. Mit einem<br />

Vorwort von Brigitte Hamann. München: Bechtle 1968, S. 12.<br />

233 Langer, Renate: Hitlerbild und Kreuz, S. 29.<br />

234 Vgl. ebd., S. 26.<br />

235 Vgl. Heer, Friedrich: Ghetto-Kulturen. Kulturen der Zweiten Republik. In: <strong>Wien</strong>er 80/6 (1980) Nr. 06, S. 33-<br />

41, S. 34.<br />

236 Heer, Friedrich: Das unlösbare Problem: Entnazifizierung in Österreich. In: Europäische Rundschau.<br />

Vierteljahreszeitschrift <strong>für</strong> Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte. 10. Jahrgang, Nummer 1/82, 1982, S. 135-<br />

143, S. 136.<br />

237 Ebd., S. 137.<br />

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