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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Reichsparteitage wurden in der Wissenschaft bereits wiederholt und umfassend<br />

herausgearbeitet. 258<br />

Aber auch ganz allgemein wurde die Wesensverwandtschaft von Religion und diktatorischem<br />

Regime schon untersucht. Hans Maier nennt u.a. die Erzeugung von Terror und Schrecken,<br />

die Beherrschung der Privatsphäre, das Gefallen am Ritual und die Bedeutsamkeit der<br />

Festkultur, den Stellenwert des Glaubens gegenüber der Vernunft, die Verkündigung einer<br />

Heilsbotschaft sowie die Hervorbringung eines Erlösers. 259 Wenngleich Hitler als<br />

vermeintlicher Erlöser ein sehr angespanntes und ausgesprochen komplexes Verhältnis zur<br />

katholischen Kirche hatte, so erkannte er doch das Potenzial religiöser Elemente und ließ sich<br />

bewusst oder unbewusst davon inspirieren. Nach Michael Rißmann neigte Hitler „zum Ritual,<br />

zu gottesdienstähnlichen Inszenierungen, er bewunderte die jahrtausendealte Tradition der<br />

Kirche, suchte aus ihrer Struktur <strong>für</strong> seine politischen Unternehmungen zu lernen – ansonsten<br />

haßte er sie.“ 260<br />

Hitler inszenierte sich als Messias und Heiland, der das deutsche Volk befreien und erlösen<br />

wird. Seine politischen Maßnahmen wurden als „Werk der Erlösung“ 261 begriffen, wodurch<br />

der Nährboden <strong>für</strong> religiösen oder pseudoreligiösen Glauben geschaffen war. Der<br />

Bedeutungsverlust der Kirche und der Niedergang der Monarchie taten ihr Übriges, um diese<br />

Tendenz zu fördern und dem Nazi-Regime die Möglichkeit zu geben, die entstandenen<br />

Leerstellen zu füllen, sodass das Volk auch „negative Aspekte des Alltagslebens“<br />

hinzunehmen vermochte. 262 Konsequenterweise wurde auch das Vaterunser entsprechend<br />

bearbeitet 263 , und ein Diktat, das am 16. März 1934 in der dritten Schulstufe einer Münchner<br />

Schule niedergeschrieben wurde, stellt Hitler unumwunden auf eine gemeinsame bzw. sogar<br />

höhere Stufe als Jesus Christus:<br />

Wie Jesus die Menschen von der Sünde und Hölle befreite, so rettete Hitler das deutsche<br />

Volk vor dem Verderben, Jesus und Hitler wurden verfolgt, aber während Jesus gekreuzigt<br />

wurde, wurde Hitler zum Kanzler erhoben. Während die Jünger ihren Meister verleugneten<br />

258 Vgl. u.a. Yasmin Doosry: Die sakrale Dimension des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg. In: Faber,<br />

Richard (Hg.): Politische Religion – religiöse Politik. Würzburg: Königshausen&Neumann 1997, S. 205-224.<br />

259 Vgl. Maier, Hans: Konzepte des Diktaturvergleichs: „Totalitarismus“ und „Politische Religionen“. In: Maier,<br />

Hans (Hg.): „Totalitarismus“ und „Politische Religionen“. Konzepte des Diktaturvergleichs. Paderborn,<br />

München, <strong>Wien</strong>, Zürich: Schöningh 1996 (Politik- und Kommunikationswissenschaftliche<br />

Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft 16), S. 233-250, S. 244-245.<br />

260 Rißmann, Michael: Hitlers Gott, S. 96.<br />

261 Kershaw, Ian: Hitler 1936-1945. Aus dem Englischen von Klaus Kochmann. Stuttgart: Deutsche Verlags-<br />

Anstalt 2000, S. 1079.<br />

262 Vgl. ebd.<br />

263 Vgl. Müller, Hans: Der pseudoreligiöse Charakter der nationalsozialistischen Weltanschauung. In: GWU.<br />

Zeitschrift des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands 12/1 (1961), S. 337-352, S. 341.<br />

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