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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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einwirkende Atmosphäre ist es trotzdem indirekt davon betroffen und empfindet den Zustand<br />

als traumatisch.<br />

Trotzdem kann das Erzähler-Ich auch eine positive Wirkung des Glaubens und der Kirche <strong>für</strong><br />

die Bevölkerung erkennen. In der von Not, Elend und Zerstörung geprägten Nachkriegszeit,<br />

in dem „süßlich nach Verwesung stinkende[n] Schutthaufen“ (Ur 90), existiert in der<br />

Bevölkerung ein Bedürfnis, den Kirchenraum aufzusuchen: „[A]m Tage räumten sie die<br />

riesigen Schuttberge ab und am Abend strömten sie in die Kirchen hinein.“ (Ur 89) Denn<br />

diese waren „wie zum Hohn“ (Ur 90) stehen geblieben, ermöglichten den Menschen aber nun,<br />

sich „an diesen Kirchentürmen wieder langsam auf[zurichten]“ (Ur 90). Auch wenn durch den<br />

Hinweis auf die weitgehend unzerstörten Kirchen ein sarkastischer Unterton nicht zu<br />

verleugnen ist, so gesteht der Erzähler doch ein, dass dieser Umstand <strong>für</strong> die Bevölkerung<br />

einen trostbringenden und erbaulichen Effekt hatte.<br />

6.2. Die Verschränkung von Katholizismus und Nationalsozialismus<br />

Wurde im vorherigen Kapitel die Abrechnung mit der <strong>Institut</strong>ion Kirche untersucht und die in<br />

der Autobiographie kritisierten Missstände im Umgang der katholischen Kirche mit ihren<br />

Gläubigen herausgearbeitet, so wird der Machtkomplex Katholizismus im Folgenden um eine<br />

weitere Facette ergänzt: die Parallelen und Verbindungen zum Nationalsozialismus und die<br />

daraus resultierenden Konsequenzen.<br />

6.2.1. Zum Begriff „katholisch-nationalsozialistisch“<br />

Die Synonymisierung von Katholizismus und Nationalsozialismus ist ein Hauptthema im<br />

gesamten literarischen Werk Thomas Bernhards. Sie zieht sich „geradezu leitmotivisch“ bis<br />

zum Spätwerk Heldenplatz durch 225 und bildet auch in den autobiographischen Romanen ein<br />

zentrales Element, das auf unterschiedlichen Ebenen dargestellt wird. Bernhard lässt<br />

Katholizismus und Nationalsozialismus, Konfession und Diktatur also, in der provokanten<br />

225 Vgl. Schmidinger, Heinrich: „katholisch“ bei Thomas Bernhard – Versuch einer Lektüre, S. 571.<br />

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