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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Diese theoretischen Ausformungen dienen als Basis <strong>für</strong> die sprachliche Analyse, die vor<br />

allem folgenden Fragestellungen nachgeht: Inwiefern findet Katholizismus innerhalb der<br />

Sprachstruktur, im generellen Erzählduktus, in intertextuellen Verweisen Eingang in die<br />

autobiographischen Erzählungen? Wo offenbaren sich religiöse Züge vielleicht erst auf den<br />

zweiten Blick? An welchen Stellen und in welcher Art und Weise werden katholische Termini<br />

herangezogen, religiöse Bilder impliziert, ein litaneihafter Sprachduktus erkennbar? Wann<br />

und wie sind Zitate der Bibel präsent? Ganz allgemein also: Welcher theologische Gehalt lässt<br />

sich auf der sprachlichen Ebene der autobiographischen Erzählungen ausmachen?<br />

4.1. Sprach- und Erzählduktus<br />

Inwiefern die grundlegende Sprach- und Erzählstruktur katholisch geprägt ist, inwiefern der<br />

Autobiographie in ihrer Gesamterscheinung ein explizit christlich-katholischer Charakter<br />

nachgewiesen werden kann, wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich beantwortet.<br />

Gleich mehrere Autoren fühlen sich bei der Lektüre der Autobiographie Bernhards an eine<br />

„Passionsgeschichte“ oder „Leidensgeschichte“ erinnert – ein Begriff, der eindeutig<br />

christlich-religiös konnotiert ist. Die Passionsgeschichte berichtet über die letzten Tage Jesu,<br />

vom Einzug in Jerusalem über die Gefangennahme und den Prozess bis hin zum Tod am<br />

Kreuz. 91<br />

Reinhard Tschapke etwa leitet diesen Vergleich mit dem Hinweis auf den hohen Stellenwert<br />

von Krankheit und Tod ein, die er als das „vorherrschende Sujet der Jugenderinnerungen“ 92<br />

betrachtet. Die autobiographischen Erzählungen stellen das Leben als einen einzigen<br />

Sterbeprozess dar („Wir sterben von dem Augenblick an, in welchem wir geboren werden“,<br />

At 64), alles scheint auf den Tod ausgerichtet, die jungen Jahre des autobiographischen Ichs<br />

sind bereits durch Leiden und Angst geprägt – der Vergleich mit einer Passionsgeschichte<br />

liegt auf der Hand. Das Erzähler-Ich fasst an anderer Stelle seinen Leidensweg sogar konkret<br />

zusammen: In einer Art Auflistung der verschiedenen Schicksalsschläge verweist es auf<br />

Kriegserfahrungen, Krankheit und Tod enger Familienmitglieder, die eigene Erkrankung und<br />

die mit all dem verbundene Aussichtslosigkeit und Verzweiflung (Kä 62).<br />

91 Vgl. Viertel, Matthias (Hg.): Grundbegriffe der Theologie. Dtv: München 2005, S. 364.<br />

92 Tschapke, Reinhard: Hölle und zurück. Das Initiationsthema in den Jugenderinnerungen Thomas Bernhards.<br />

Hildesheim: Olms 1984. (Germanistische Texte und Studien 22), S. 90.<br />

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