DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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7. Conclusio<br />
Thomas Bernhard gehört zu jener Riege österreichischer SchriftstellerInnen, welche sich ab<br />
circa 1960 intensiv mit den sie prägenden katholischen Strukturen auseinandergesetzt haben.<br />
Sein Leben und Werk ist gesprenkelt von der permanenten Nähe zum Katholizismus: Als<br />
Jugendlicher erlebte er den Alltag und die Strukturen in einem katholischen Schülerheim;<br />
katholische Anklänge sind auf thematischer wie auch formaler Ebene in seinem literarischen<br />
Werk zu finden; das lyrische Ich seiner Gedichte und die Protagonisten seiner Dramen und<br />
Romane äußern sich dazu in Summe positiv, negativ, ambivalent; Thomas Bernhard selbst<br />
nimmt wiederholt in Interviews kritisch zur katholischen Kirche Stellung; schließlich trat er<br />
1972 aus der katholischen Kirche aus.<br />
Dieser Einfluss des Katholizismus kippt in der literarischen Produktion sowohl in das eine als<br />
auch in das andere Extrem. So hat das lyrische Ich der frühen Gedichte keinen Zweifel an der<br />
Existenz Gottes und setzt sich mit seinem Glauben in Form gebetsartiger Texte auseinander.<br />
Die Figuren des Spätwerks, seien es nun der Kunstkritiker Reger in Alte Meister, Franz-Josef<br />
Murau in Auslöschung. Ein Zerfall oder Professor Robert Schuster in Heldenplatz, erheben<br />
hingegen schwere Vorwürfe gegen den Katholizismus und artikulieren ihre Kritik in<br />
sprachgewaltigen Rundumschlägen, die katholische Kirche wird dabei zu einem zentralen<br />
Konflikt- und Reibungspunkt, zu einer Zielscheibe <strong>für</strong> Vorwürfe und Schuldzuweisungen.<br />
Die autobiographische Pentalogie steht zeitlich zwischen jenen beiden Werkphasen und stellt<br />
zusätzlich aufgrund ihrer Gattung einen Sonderfall dar. Das allein schon macht sie zu einem<br />
interessanten Forschungsgegenstand. Die literarische Reflexion von Kindheit und Jugend, die<br />
Lebensgeschichte im Geflecht von Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Fiktion weist zudem eine <strong>für</strong><br />
das Thema beachtliche Vielschichtigkeit auf, die in dieser Arbeit anhand drei zentraler<br />
Aspekte abgedeckt und untersucht wurde: die sprachlichen Bezüge, die Begegnung mit der<br />
kirchlichen Praxis und schließlich der auch in den späteren Werken permanent präsente und<br />
angesprochene Machtkomplex Katholizismus, der sich vor allem in der Wortverbindung<br />
„katholisch-nationalsozialistisch“ manifestiert hat.<br />
Trotz dieses reichhaltigen Kompendiums, das sich über mehrere Ebenen spannt, hat sich<br />
gezeigt, dass Bernhard nicht vorrangig theologische Fragestellungen verhandelt oder fundierte<br />
Kritik an bestimmten Glaubensgrundsätzen betreibt. Den Dreh- und Angelpunkt von Thomas<br />
Bernhards Auseinandersetzung mit dem Katholizismus bildet die <strong>Institut</strong>ion Kirche; ihr<br />
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