DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
profanes Geschehen“ 165 , theatralisch und künstlich, die Rollen sind klar verteilt, das Stück<br />
wird nach immer gleichbleibenden Regieanweisungen heruntergeleiert, der Sinn dahinter von<br />
keinem Beteiligten hinterfragt.<br />
Die vom Erzähler vollzogene Gleichsetzung von Gottesdienst und Schauspiel ist keineswegs<br />
unberechtigt oder willkürlich. Es bestehen ganz offensichtliche Parallelen zwischen diesen<br />
Bereichen – ein Umstand, der mittlerweile auch in die religionswissenschaftliche Literatur<br />
Eingang gefunden hat und zu neuen Perspektiven und Diskussionen anregt. 166 Gottesdienst<br />
wird als „Gesamtkunstwerk“ 167 , als „dramatische Inszenierung“ 168 , als „offenes Kunstwerk“,<br />
das „zur Aufführung gelangt“ 169 , bezeichnet; die Liturgie ziele darauf ab, „die Schaulust der<br />
Gläubigen zu befriedigen“, Aufbau und Ablauf seien dabei „den Gesetzen der Dramaturgie“ 170<br />
nicht unähnlich. Diese Begriffe und Konnotationen verbleiben jedoch oft im luftleeren Raum,<br />
da ihnen der theatertheoretische Kontext bzw. generell eine Präzision fehlt – dadurch besteht<br />
die Gefahr, „zur Leerformel zu mutieren“. 171 Gottesdienst als theatrales Geschehen<br />
aufzufassen verlangt demnach eine präzisere Bestimmung des Begriffs „Theatralität“. In<br />
dieser Hinsicht sind vier Kategorien grundlegend: Inszenierung, Korporalität, Wahrnehmung<br />
und Performativität. 172 Zusammenfassend ist damit ein von einem Regisseur in Szene<br />
gesetztes Geschehen zu verstehen (Inszenierung). Zeichen werden über den Körper der<br />
Schauspieler transportiert (Korporalität) und von einem Publikum aufgenommen<br />
(Wahrnehmung). „Performativität“ schließlich greift die drei anderen Begriffe auf und steht<br />
<strong>für</strong> die „synchrone[] Produktion und Rezeption theatraler Zeichen“ 173 – eine Aufführung<br />
zeichnet sich demnach durch ihre Unmittelbarkeit aus, mit der sowohl produziert als auch<br />
aufgenommen und verarbeitet wird. 174<br />
165 Vitovec, Barbara: „Simili modo“, S. 63.<br />
166 Siehe Roth, Ursula: Die Theatralität des Gottesdienstes. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006.<br />
(Praktische Theologie und Kultur 18)<br />
167 Grözinger, Albrecht: Der Gottesdienst als Kunstwerk. In: Pastoraltheologische Monatsschrift <strong>für</strong><br />
Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 81/10 (1992), S. 443-453, S. 445.<br />
168 Cornehl, Peter: Theorie des Gottesdienstes – ein Prospekt. In: Theologische Quartalschrift 159 (1979), S.<br />
178-195, S. 181.<br />
169 Bieritz, Karl-Heinrich: Gottesdienst als ,offenes Kunstwerk`? Zur Dramaturgie des Gottesdienstes. In:<br />
Pastoraltheologie. Monatsschrift <strong>für</strong> Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 75/9 (1986), S. 358-<br />
373, S. 365.<br />
170 Vgl. Leonardy, Ernst: Totenrituale. In: Honold Alexander und Markus Joch (Hg.): Thomas Bernhard. Die<br />
Zurichtung des Menschen. Würzburg: Königshausen & Neumann 1999, S. 187-197, S. 191.<br />
171 Vgl. Roth, Ursula: Die Theatralität des Gottesdienstes, S. 128.<br />
172 Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Ästhetische Erfahrung. Das Semiotische und das Performative. Tübingen, Basel:<br />
Francke 2001, S. 285.<br />
173 Roth, Ursula: Die Theatralität des Gottesdienstes, S. 59.<br />
174 Vgl. ebd., S. 23-70.<br />
48