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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Das Erzähler-Ich erkennt in den Liedern und im Stellenwert des Singens während und nach<br />

dem Nationalsozialismus den gleichen Grundgehalt. Wiederum sind die unterschiedlichen<br />

Texte und Melodien nur Details vor einem gleichbleibenden Duktus, dem Zweck der<br />

Huldigung und des Lobpreises. Und im scheinbar harmlosen Akt des Singens offenbaren sich<br />

Stumpfsinn und Geistlosigkeit, in Form von Liedern werden Ideologien unbewusst<br />

wiedergegeben, weitertransportiert und verinnerlicht.<br />

Gregor Thuswaldner hat sich diesem Aspekt im Detail gewidmet und die von Bernhard<br />

genannten Lieder (aus dem nationalsozialistischen Liedgut handelt es sich dabei um „Die<br />

Fahne hoch“ und „Es zittern die morschen Knochen“, als katholische Lieder werden<br />

„Meerstern ich dich grüße“ und „Großer Gott wir loben dich“ genannt (Ur 88)) einer<br />

vergleichenden Textanalyse unterzogen. In „Die Fahne hoch“, auch als „Horst-Wessel-Lied“<br />

bekannt, wird dabei die „Knechtschaft des deutschen Volkes besungen, die durch die<br />

Nationalsozialisten gebrochen wird“ 277 . Dieser Duktus erfährt in „Meerstern ich dich grüße“<br />

eine Entsprechung, wenn dort in durchgehend repetierendem Ruf die Gottesmutter Maria<br />

nach Rettung aus der Not angefleht wird, einer Not, die in „Es zittern die morschen Knochen“<br />

zugunsten eines pathetischen Siegesjubels bereits überwunden ist. Die Aussicht auf ein<br />

baldiges Ende dieser Not kommt aber bereits sowohl im „Horst-Wessel-Lied“ als auch in<br />

„Großer Gott wir loben dich“ zum Ausdruck – je nach Ideologie gestaltet sich die Rettung<br />

einmal in der Gestalt Adolf Hitlers, einmal in der von Jesus Christus. 278<br />

Zwischen den Liedern lassen sich also eindeutige Gemeinsamkeiten erkennen. Kein Zufall,<br />

sondern logische Konsequenz der bereits zuvor herausgearbeiteten Anlehnung der „Nazi-<br />

Mythologie auf pseudo-christliche Inhalte“ 279 und der bewusst herbeigeführten Inszenierung<br />

Hitlers als eines neuen Messias.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Erzähler mit der an vielen Beispielen<br />

veranschaulichten Austauschbarkeit von verschiedenen Gegenständen und Handlungen auf<br />

den nicht spürbaren Neubeginn hinweist, auf die gleichbleibende Struktur nach Kriegsende.<br />

„Nichts Neues hatte begonnen, 1945 war keine Zäsur, höchstens an den autoritären<br />

katholischen Ständestaat war angeschlossen worden [...]“, schreibt Hans Höller und attestiert<br />

der autobiographischen Erzählung einen „historischen Wahrheitsgehalt“ – wie bereits zuvor<br />

277 Thuswaldner, Gregor: De Deo Abscondito, S. 168.<br />

278 Vgl. ebd.<br />

279 Ebd., S. 169.<br />

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