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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Gemeinschaft mit der Kirche und hier, im Krankenhaus, in Gemeinschaft mit dem<br />

Krankenhauspfarrer tatsächlich nurmehr noch als gedankenloses Geschäft betrieben. An<br />

diesen Schwestern ist alles nurmehr noch mechanisch gewesen, wie eine Maschine<br />

arbeitet, die sich in ihrer Tätigkeit an ihren eingebauten Mechanismus und an sonst nichts<br />

zu halten hat. (At 52-53)<br />

Das Seelenheil der Patienten liegt hier niemandem wirklich am Herzen, die göttliche<br />

Berufung verkommt zur verlogenen Farce.<br />

Nicht minder negativ gestaltet sich die Tätigkeit und das Wesen der geistlichen Schwestern in<br />

Grafenhof. Der abwertende Duktus bleibt erhalten, das Spektrum wird jedoch durch weitere<br />

negative Wesenszüge erweitert. Die Unerbittlichkeit der Grafenhofer Schwestern wird in der<br />

Beschreibung der sonntäglichen Messe ersichtlich:<br />

Drei, vier Kreuzschwestern feuerten diese armseligen Stimmen aus abgemagerten,<br />

zitternden Kehlen an, trieben sie in das Kyrie hinein und so unnachgiebig und unerbittlich<br />

durch die ganze Messe bis zum Agnus, wo dann der Höhepunkt der Erschöpfung erreicht<br />

war. (Kä 84-85)<br />

Ohne Rücksicht auf Verluste wird der aus lungenkranken Patienten zusammengesetzte Chor<br />

zur gesanglichen Lobpreisung Gottes angespornt, ja fast genötigt – die Schwestern rücken in<br />

ihrer Haltung in die Nähe von Sklaventreibern. Dieser Vergleich bietet sich auch deshalb an,<br />

da die Schwestern tatsächlich ein erhebliches Maß an Macht und Einfluss inne haben und<br />

nicht davor zurückscheuen, diesen Umstand offensichtlich zu machen. Die gesangliche<br />

Teilnahme am Gottesdienst fördert in diesem Sinne nicht nur die Sympathie bei den<br />

Schwestern, sondern verhilft darüber hinaus konkret zu materiellen Begünstigungen – „Wer<br />

hier sang, war bei den geistlichen Schwestern im Vorteil“ (Kä 85). Somit war der<br />

Sängerdienst an „eine[] wärmere[] Decke“ oder ein „besseres Leintuch“ (Kä 85) geknüpft und<br />

entlarvt das Verhalten der Schwestern als in gewissem Sinne erpresserisch.<br />

Zudem werden nur diejenigen privilegiert, die der Messe auch tatsächlich aktiv beiwohnen.<br />

Christliche Nächstenliebe, sofern man diesen Begriff überhaupt in diesem Kontext<br />

heranziehen kann, erfährt ihre Anwendung also lediglich innerhalb des Kreises vermeintlich<br />

Katholischer. Aber nicht nur die Aussicht auf materielle Güter veranlasst das<br />

autobiographische Ich zum Ausdauern im Sängerdienst, vielmehr sind es generelle<br />

Konsequenzen, die bei einem Austritt aus dem Chor gedroht hätten: „[I]ch wollte nicht mehr<br />

in die Messe, aber dazu war es jetzt schon zu spät, ich hätte die Folgen der Kreuzschwestern<br />

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