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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Wortverbindung „katholisch-nationalsozialistisch“ miteinander verschmelzen, er fasst damit<br />

das Bündnis zweier machtvoller Bewegungen zusammen und kennzeichnet gleichzeitig ein<br />

Wesensmerkmal des österreichischen Staates, seiner Politik und Gesellschaft.<br />

In Auslöschung. Ein Zerfall lässt der „Übertreibungskünstler“ 226 die Wortschöpfung sogar<br />

ganz offensiv auftreten: Zum Klang der „nationalsozialistisch-katholische[n] Musikkapelle“<br />

schreitet das „nationalsozialistisch-katholische[] Volk“, die „nationalsozialistischen Böller<br />

werden abgeschossen […] und die katholischen Kirchenglocken läuten dazu“, entweder im<br />

Schein der „nationalsozialistisch-katholische[n] Sonne“ oder aber unter „nationalsozialistisch-<br />

katholische[m] Regen“. 227 Bei den Figuren der Auslöschung schlägt sich eine katholisch-<br />

nationalsozialistische Gesinnung vor allem im Charakter von Muraus Mutter nieder:<br />

Wolfsegg ist während der Naziherrschaft eine Hochburg des Nationalsozialismus,<br />

gleichzeitig eine Hochburg des Katholizismus gewesen. Die Erzbischöfe und die Gauleiter<br />

wechselten sich an den Wochenenden hier ab, gaben sich einander die Türklinke in die<br />

Hand. Meine Mutter hatte in dieser Zeit die Regie geführt und die Jäger, die ja auch heute<br />

nichts anderes sind als Nazis, wie auch meine Mutter im Grund ihres Herzens, völlig<br />

ungeschoren von ihrer katholischen Heuchelei bis heute nichts anderes ist als eine<br />

Nationalsozialistin. 228<br />

In Wolfsegg können Nationalsozialismus und Katholizismus sowohl einander abwechselnd<br />

als auch parallel bestehen, Vertreter der einen und der anderen Bewegung werden jederzeit<br />

willkommen geheißen. Diese Koexistenz der beiden Bewegungen bezieht sich aber nicht nur<br />

auf den Ort Wolfsegg, sondern offenbart sich auch in der Einstellung und Geisteshaltung der<br />

Mutter, die darin ganz offensichtlich keine Unvereinbarkeit spürt. Mit dem Ineinanderfließen<br />

von Gottesgläubigkeit und NS-Anhängerschaft in einer Person tritt Bernhard in die Spuren<br />

eines anderen österreichischen Autors, Gerhard Fritsch, der in dem Roman Fasching 229<br />

ebenfalls anhand einer Frauenfigur die „Willfährigkeit der Amtskirche gegenüber dem NS-<br />

Regime“ 230 nachzeichnet. Als verbindendes Element von Kirche und politischer Ideologie<br />

wird ihr Hass auf den Kommunismus genannt, während der Antisemitismus als zweite<br />

grundlegende Gemeinsamkeit bei Fritsch keine größere Beachtung erfährt. Antisemitismus<br />

wiederum wird von dem Historiker Friedrich Heer aufgegriffen. 231 In seinem Werk Der<br />

226 So der Titel einer Sammlung von Studien Wendelin Schmidt-Denglers zu Thomas Bernhard, siehe Schmidt-<br />

Dengler, Wendelin: Der Übertreibungskünstler. Studien zu Thomas Bernhard. <strong>Wien</strong>: Sonderzahl 1989.<br />

227 Vgl. Bernhard, Thomas: Auslöschung. Ein Zerfall, S. 1641.<br />

228 Ebd., S. 1489-1490.<br />

229 Fritsch, Gerhard: Fasching. Mit einem Nachwort von Robert Menasse. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1995.<br />

(suhrkamp taschenbuch 2478)<br />

230 Langer, Renate: Hitlerbild und Kreuz, S. 25.<br />

231 Vgl. ebd., S. 29.<br />

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