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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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4. Sprachliche Ebene<br />

Thomas Bernhard ist bekannt und berüchtigt <strong>für</strong> eine offensive, bedingungslose und dadurch<br />

mitunter auch pauschale Kritik an der katholischen Kirche, sie wird bei ihm in erster Linie als<br />

Motiv behandelt. 81 Hemmungslos entladen sich Bezichtigungen, Vorwürfe und Anklagen in<br />

Form seitenlanger Schimpftiraden. Verschiedene Aspekte des Katholizismus – sei es Glaube,<br />

<strong>Institut</strong>ion oder geistliches Personal – werden in unterschiedlichen Intensitätsgraden, von<br />

knapper Verspottung bis zur fundamentalen Weltanklage, abgeurteilt und erteilen dem<br />

Katholizismus unterm Strich ein vernichtendes Urteil. Dieser Typus Bernhardscher<br />

Sprachkunst soll jedoch nicht Thema dieses Kapitels sein. Ganz im Gegenteil richten sich die<br />

Fragestellungen an eine subtilere Ebene, die die Forschung bislang nur äußerst marginal<br />

thematisiert hat. Hier soll den leisen Tönen Raum gegeben werden, die manchmal ebenso<br />

Kritik transportieren, manchmal aber auch nur allgemein religiöse Assoziationen hervorrufen.<br />

Gewiss kommt eben diese Ebene seltener zum Vorschein und kann in ihrer Häufigkeit und<br />

Wirkungskraft nicht mit dem offen artikulierten Zorn konkurrieren oder auch nur verglichen<br />

werden. Dennoch ist diese Ebene vorhanden und soll nun in Bezug auf katholische Elemente<br />

untersucht werden.<br />

Wie bereits Dorothee Sölle festgestellt hat, so lassen sich „vielfältige[] Spuren religiöser<br />

Sprache innerhalb von Dichtungen“ aufspüren, auch wenn diese Texte in ihrer Gestalt und<br />

Intention gar nicht primär religiös sind. Religiöses Potenzial kann dennoch innerhalb der<br />

Sprache vorhanden sein, denn diese „Sprache des christlichen Glaubens“ hat sich seit der<br />

Aufklärung aus ihrer ausschließlichen Handhabung in kirchlichem Kontext emanzipiert. Die<br />

Säkularisation der Gesellschaft bewirkte auch in sprachlicher Hinsicht Veränderungen,<br />

religiöses Sprachmaterial konnte in unterschiedlichen Varianten in die Allgemeinsprache<br />

übergehen und neue Bedeutungsschichten aktivieren. Die religiöse Wurzel tritt dabei oftmals<br />

so stark zurück, dass sie fast unbemerkt bleiben kann. Der Schriftsteller steht hier vor einem<br />

fruchtbaren Feld, er kann vormals ausschließlich religiöses Vokabular ungezwungen<br />

aufnehmen und verarbeiten, kann sich dieses Materials (sprach)spielerisch, assoziativ wie<br />

auch stilistisch bedienen. 82<br />

Daraus ergibt sich eine Schlussfolgerung, die auch <strong>für</strong> die Gestaltung dieses Kapitels, ja der<br />

gesamten Arbeit, grundlegend und wegweisend ist, denn dieser „emanzipative Gebrauch<br />

81 Vgl. Vitovec, Barbara: „Simili modo“, S. 372.<br />

82 Vgl. Sölle, Dorothee: Realisation. Studien zum Verhältnis von Theologie und Dichtung nach der Aufklärung.<br />

Darmstadt: Luchterhand 1973. (Reihe Theologie und Politik 6), S. 15.<br />

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