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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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als bedeutsamen Impetus in Bezug auf die nationalsozialistische Ideologie aufgezeigt hat und<br />

zusätzlich mit seiner Diagnose eines österreichischen „Sekundär-Nationalsozialismus“ nach<br />

1945 die Kritik des autobiographischen Ichs aus historischer Sicht untermauert.<br />

Die Zusammenführung beider Adjektive zu einer Verbindung ist auch insofern legitim, als<br />

gemeinsame Strukturen und Absichten sowohl hinter Konfession als auch Diktatur stehen.<br />

Das politische Streben der Kirchenmänner, die manipulativen Methoden zur Unterdrückung<br />

der Gläubigen, die Durchsetzung eigener Grundsätze und Ideologien und die Verdammung<br />

jeglichen Zuwiderhandelns zeigen die Verschmelzung von Religion und Politik ebenso auf<br />

wie die religiöse Inszenierung der Parteitage und die Erlöser-Gebärden der<br />

nationalsozialistischen Elite. Der Stellenwert von Ritus, Gemeinschaft, bestimmten<br />

Symbolen, letztlich vor allem der Stellenwert des unerschütterlichen Glaubens an Erlösung –<br />

das alles schwingt im „katholisch-nationalsozialistischen“ Wortgefüge mit.<br />

Das Bewusstsein im/in der LeserIn <strong>für</strong> die gemeinsamen Wesenszüge wird auf mehreren<br />

Ebenen geschaffen. Neben generellen Aussagen und Systemkritik werden die Parallelen durch<br />

die Schilderung des Internatsalltags auf eine anschauliche Ebene geführt und konkretisiert.<br />

Der nationalsozialistische und der katholische Erzieher mögen sich in äußerlichen Details<br />

unterscheiden, ihr gemeinsamer totalitärer Charakter schafft im Internatszögling jedoch nicht<br />

das Bewusstsein, dass hier eine Wende, ein Umbruch in eine neue Zeit, stattgefunden hat.<br />

Ebenso verhält es sich mit der alltäglichen Routine – auch wenn nun nicht mehr<br />

nationalsozialistischen Reden, sondern der katholischen Messe beigewohnt, nicht mehr „Heil<br />

Hitler“, sondern „Gesegnete Mahlzeit“ gewünscht wird, so erlebt das Erzähler-Ich die<br />

Handlungen in ihrer Grundgestalt als dieselben. Gepocht wird hier vor allem auf die unter<br />

beiden Leitungen verübten Erziehungsverbrechen, denn der Präfekt habe hier einfach das<br />

Erbe des SA-Mannes Grünkranz übernommen. Als interessantes Detail (vor allem auch, weil<br />

es einzig in der Originalfassung der Ursache vorkommt und später gestrichen wurde)<br />

erweisen sich hierbei die Parallelen in den jeweiligen Personalkonstellationen: der<br />

befehlenden, autoritären Erzieherfigur wird mit der Frau des Grünkranz bzw. nach Kriegsende<br />

mit dem sogenannten Onkel Franz ein/e passive/r UnterstützerIn, ein/e nicht direkt Gewalt<br />

ausübende/r, aber Unheil auch nicht verhindernde/r MitläuferIn zur Seite gestellt. Die<br />

Kongruenz des Machtgefüges nationalsozialistischer wie auch katholischer Führung wird in<br />

diesem Fall besonders subtil vorgetragen und wurde in den späteren Auflagen, wie bereits<br />

erwähnt, überhaupt getilgt.<br />

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