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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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„Anspielung auf die biblische Metanoia“ gelesen werden kann, inhaltlich aber vor allem die<br />

bisherige Passion in Lebensbejahung umkehrt. 110 Hier geschieht ein Neuanfang, hier wird die<br />

Entscheidung zur Autor-Existenz getroffen und in „religiös beschwerter Sprachgebärde“<br />

mitgeteilt 111 : „Meine erste Existenz war abgeschlossen, meine zweite hatte begonnen.“ (At 85)<br />

Religiös-pathetische Anklänge erkennt vom Hofe auch in den „symbolischen Zeichen“ 112 , die<br />

zur Kennzeichnung der Wende angeführt werden, darunter die Badezimmer-Szene (At 16)<br />

und die Überführung nach Großgmain in das Hotel Vötterl (At 95-96). Als „Geburt einer<br />

'pneumatischen Existenz'“ inszeniert der Erzähler seine neue Rolle als Autor, die erst durch<br />

die Leiderfahrungen der schweren Krankheit möglich werden konnte, und zieht dazu laut vom<br />

Hofe eindeutige „Topoi religiöser Bekehrungs- und Erweckungsliteratur“ heran. Das Ich<br />

ordnet sich selbst und sein Weltbild neu, es begreift sich als auserwählt, bezwingt vorerst sein<br />

Schicksal, gebiert sich neu – eine Vorstellung, die „ihr strukturelles Analogon in religiös-<br />

heilsgeschichtlichen Vorstellungen“ hat. 113 Das Ich als Pneumatiker – vom Hofe sieht<br />

„gnostische Topoi, Motive und Begriffe“ sowie ein damit zusammenhängendes „dualistisches<br />

System der Ich- und Welterklärung“ als nicht nur <strong>für</strong> die Autobiographie prägend, sondern<br />

vielmehr <strong>für</strong> Bernhards gesamtes Werk; 114 wobei jener „gnostische[] Dualismus“ nicht mehr<br />

kosmologisch, sondern anthropologisch motiviert ist und eine Entsprechung in dem<br />

grundsätzlichen Wesen Bernhardscher Erzählweise und Figurendarstellung findet: der<br />

Verallgemeinerung individueller Erfahrungen, der pauschalisierenden Kritik, die durch einen<br />

Einzelnen ausgedrückte Verachtung gegen die ihn umgebende stumpfsinnige Welt und<br />

Gesellschaft. 115<br />

Wie bereits im Titel des Aufsatzes angedeutet, errichtet Gerhard vom Hofe weiters eine<br />

Verwandtschaftsbeziehung zwischen dem biblischen Lazarus und dem Ich der<br />

Autobiographie. Die autobiographischen Erzählungen würden die Legende von der<br />

Erweckung des Lazarus von den Toten, wie sie bei Johannes 11 überliefert ist, implizieren,<br />

um den Ursprung der Autor-Existenz darzustellen. Im selben Moment wird der Mythos<br />

jedoch parodistisch verarbeitet und umgedeutet, denn anders als im Evangelium stellt der<br />

Erzähler der Autobiographie sein Überleben als eigenmächtigen Akt dar und verknüpft es<br />

zugleich mit dem neuen Leben als Schriftsteller. Das Ich der Autobiographie greift aktiv in<br />

110 Vgl. ebd., S. 27.<br />

111 Vgl. ebd., S. 29.<br />

112 Ebd.<br />

113 Vgl. ebd., S. 30.<br />

114 Vgl. ebd.<br />

115 Vgl. ebd., S. 30-31.<br />

29

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