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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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und ihn im Stiche ließen, fielen die 16 Kameraden <strong>für</strong> ihren Führer. Die Apostel<br />

vollendeten das Werk ihres Herrn. Wir hoffen, daß Hitler sein Werk selbst zu Ende führen<br />

darf. Jesus baute <strong>für</strong> den Himmel, Hitler <strong>für</strong> die deutsche Erde. 264<br />

Das Wirken Jesu wird in diesem Diktat nicht tatsächlich verkannt oder missachtet, sehr wohl<br />

aber werden Hitlers Taten auf Erden als verheißungsvoller herausgestellt – Jesus stirbt am<br />

Kreuz, Hitler erklimmt das Amt des Reichskanzlers. Durch die direkte Gegenüberstellung mit<br />

dem Leben und Wirken Jesu wird Hitlers Schaffen als heilig markiert, er erscheint als zweiter<br />

(und erfolgreicherer) Heiland, der das deutsche Volk schon im Hier und Jetzt vom Elend<br />

befreien wird. In diesem Sinne zeichnet auch das Hitlerbild eine ikonenartige Schematik aus,<br />

durch seine Präsenz in öffentlichen wie auch privaten Räumen war es „dem Kruzifix des<br />

Christentums vergleichbar“ 265 – eine interessante Aussage angesichts von Bernhards<br />

Erinnerungsbericht, der den Austausch des Hitlerbildes gegen das Kreuz als eine der<br />

folgenlosen Veränderungen des Internatsalltags benennt.<br />

Die Gleichsetzung bzw. Ersetzung von Hitler und Jesus erfährt auch in Die Ursache eine<br />

Entsprechung, allerdings nur in der bloßen Erkenntnis, dass diese beiden „Frontmänner“ ihrer<br />

jeweiligen Bewegung ebenfalls als austauschbar erlebt wurden:<br />

Und die Erziehungsverbrechen, wie sie überall auf der ganzen Welt in den<br />

Erziehungsanstalten an den zu Erziehenden begangen werden, werden immer unter dem<br />

Namen einer solchen außerordentlichen Persönlichkeit begangen, heißt diese<br />

außerordentliche Persönlichkeit Hitler oder Jesus undsofort. In dem Namen des<br />

Besungenen, Verherrlichten geschehen die Kapitalverbrechen an den Heranwachsenden,<br />

und es wird immer wieder solche besungenen und verherrlichten außerordentlichen<br />

Persönlichkeiten gleich welcher Natur geben und solche an der heranwachsenden<br />

Menschheit begangenen Kapitalverbrechen der Erziehung, welche, die Auswirkungen<br />

mögen wie immer sein, von Natur aus immer nur ein Kapitalverbrechen sein kann. So<br />

waren wir im Internat […] zuerst im Namen Adolf Hitlers zugrunde und tagtäglich zu Tode<br />

erzogen worden und dann nach dem Krieg im Namen von Jesus Christus, und der<br />

Nationalsozialismus hatte die gleiche verheerende Wirkung auf alle diese jungen<br />

Menschen gehabt wie jetzt der Katholizismus. (Ur 99-100)<br />

Es spielt <strong>für</strong> das autobiographische Ich keine Rolle, ob nun Hitler oder Christus besungen<br />

wird. Sowohl unter dem Hitlerbild als auch unter dem Kruzifix spielen sich<br />

„Erziehungsverbrechen“ ab, die gleichermaßen verheerend sind und immer ein<br />

„Kapitalverbrechen“ darstellen. Durch die gleich dreimal angeführte Wendung „im Namen“<br />

bzw. „unter dem Namen“ wird wiederum auf die in der Gegenwart agierenden <strong>Institut</strong>ionen<br />

264 Neuhäusler, Johann: Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische<br />

Kirche und der kirchliche Widerstand. Erster Teil. München: Katholische Kirche Bayerns 1946, S. 111-112.<br />

265 Vgl. Rißmann, Michael: Hitlers Gott, S. 181-182.<br />

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