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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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sich dieses Zitat in den Themenkomplex nahtlos einfügen lässt und ohne Weiteres auch vom<br />

Erzähler der Autobiographie stammen könnte, sei es an dieser Stelle angeführt:<br />

Das Wort Barmherzigkeit wird wie kaum ein anderes Wort mißbraucht [...]. Die<br />

barmherzigen Krankenhäuser sind die unbarmherzigsten, die ich kenne, [...], in ihnen<br />

herrscht doch meistens nur die Kunstlosigkeit und die Habgier neben der ganz gemeinen<br />

und niedrigen Gottesheuchelei [...]. 211<br />

Ist die Beschreibung der geistlichen Schwestern im Landeskrankenhaus sowie in Grafenhof<br />

vorwiegend negativ eingefärbt, so muss dennoch auch auf leise Klänge der Anerkennung des<br />

Erzähler-Ichs bezüglich ihrer aufopferungsvollen Haltung hingewiesen werden, wenngleich<br />

diese auch ambivalent dargestellt wird:<br />

Wenn ich die Vinzentinerinnen sah, wie sie die gerade Gestorbenen auszogen und wuschen<br />

und wieder anzogen, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dachte ich nach, wie hoch der<br />

Abstumpfungsgrad sein muß, um diese Arbeit verrichten zu können, oder wie groß die<br />

Selbstverleugnung und Selbstaufgabe. Ich hatte nicht den Mut, diese Heldinnen zu<br />

bewundern, ich <strong>für</strong>chtete mich davor. (Kä 112)<br />

Der Erzähler lässt eine vollständige Ehrerbietung nicht zu und bricht sie mit dem Verweis auf<br />

die enorme Abstumpfung auf, ebenso erwecken die Vinzentinerinnen ein Gefühl des<br />

Unbehagens und der Furcht in ihm, das jedoch nicht weiter ausgeführt wird.<br />

5.4. Aufbahrung und Begräbnis<br />

Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist eines der „wichtigsten Themen in Bernhards<br />

Werk“ 212 , damit einhergehen auch die vielen Beschreibungen von Aufbahrungen und<br />

Begräbnissen, die in nahezu jedem Roman Eingang finden. Ernst Leonardy konstatiert dabei,<br />

dass der „Aufbahrung der Leichen“ in Bernhards Gesamtwerk die „größte Aufmerksamkeit<br />

gewidmet wird“ und den Autor wohl „am stärksten fasziniert hat“. 213<br />

In den autobiographischen Erzählungen halten sich die Schilderungen von Aufbahrungen und<br />

jene von Begräbnissen in etwa die Waage. Prägende und treibende Kraft ist dabei die<br />

211 Bernhard, Thomas: Alte Meister. In: Huber, Martin und Wendelin Schmidt-Dengler (Hg.): Thomas<br />

Bernhard. Die Romane. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008, S. 1225-1371, S. 1343.<br />

212 Leonardy, Ernst: Totenrituale, S. 187.<br />

213 Vgl. ebd., S. 188.<br />

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