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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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zumeist erst kurz vor dem Tod gespendet und der Fokus nicht mehr auf baldige körperliche<br />

Heilung, sondern auf die Reinigung von Sünden gelegt – der Sterbende wollte durch die<br />

Salbung ohne Altlasten aus dem Leben scheiden. Die Bezeichnung „Letzte Ölung“ aus dem<br />

12. Jahrhundert verstärkte die allgemeine Wahrnehmung der Krankensalbung als eines<br />

„Sakrament[s] der Sterbenden“. Eigentlich beruht der Ausdruck auf der Reihenfolge der<br />

Salbungen: Nach Taufe, Firmung und Priesterweihe stellt die Krankensalbung gemeinhin<br />

tatsächlich die letzte Ölung dar. 202<br />

Sowohl die Verwendung des Terminus „Letzte Ölung“ im Band Der Atem als auch deren<br />

Beschreibung sowie der Zeitpunkt ihrer Einleitung verweisen auf das althergebrachte und<br />

unzutreffende Verständnis dieses Sakraments, wie soeben dargelegt. Erneut zeigt sich hier die<br />

Auswirkung des Zweiten Vatikanischen Konzils, denn auch im Bereich der Krankensalbung<br />

kam es zu Reformen, die u.a. die Änderung des Namens und damit eine Abkehr vom Begriff<br />

der „Letzten Ölung“ hin zur „Krankensalbung“ bewirkten. 203 Wenn Bernhard nun<br />

ausschließlich diese Bezeichnung verwendet, so ist dies dadurch zu erklären, dass auch dieses<br />

Erlebnis wie auch schon der erste Kirchenbesuch in die vorkonziliare Zeit zu verorten ist und<br />

sich das Sakrament <strong>für</strong> das autobiographische Ich anders dargestellt hat, als es ursprünglich<br />

intendiert war und in der heutigen Zeit praktiziert werden soll.<br />

Aufgrund seines kritischen Gesundheitszustands erlebt das Erzähler-Ich den Vollzug der<br />

Krankensalbung an ihm selbst nicht bewusst mit. Bereits zwischen Leben und Tod<br />

schwebend, wurde vorsorglich der Geistliche gerufen um die Salbung zu verabreichen – allein<br />

dieser Umstand ist Hinweis genug, dass die Krankensalbung ausschließlich als<br />

Sterbesakrament verstanden wurde:<br />

Wie ich jetzt weiß, war ich gegen fünf Uhr früh wieder zurückgebracht worden in den<br />

Krankensaal. Aber die Schwestern […] waren sich nicht sicher gewesen, sonst hätten mir<br />

die Schwestern nicht gegen sechs in der Früh von dem Krankenhauspfarrer die sogenannte<br />

Letzte Ölung geben lassen. Ich hatte das Zeremoniell kaum wahrgenommen. An vielen<br />

andern habe ich es später beobachten und studieren können. (At 17)<br />

In ihrer Funktion als Sterbesakrament wurde die Salbung jedoch nicht nur an Sterbenden<br />

vollzogen, sondern in einzelnen Fällen auch am bereits Verstorbenen:<br />

202 Vgl. ebd., S. 181.<br />

203 Vgl. Grethlein, Christian: Benediktionen und Krankensalbung. In: Schmidt-Laube, Hans-Christoph und<br />

Michael Meyer-Blanck u.a. (Hg.): Handbuch der Liturgik, S. 551-574, S. 569.<br />

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