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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Wenngleich Tschapke hier auch wieder eine Art Kehrtwendung vornimmt, wenn er auf das<br />

starke Subjekt hinweist, das sich dem Schicksal nicht einfach hingibt, sondern den Kampf<br />

aufnimmt 93 , und damit auf seinen eigentlichen Untersuchungsgegenstand verweist, der sich<br />

auf die Herausarbeitung von Initiationshandlungen bezieht.<br />

Renate Langer kommt zu ihrer Schlussfolgerung, „Bernhards Lebens- als<br />

Leidensgeschichte“ 94 zu verstehen, ebenfalls über die unermüdliche Auseinandersetzung mit<br />

den Themen Tod, Schmerzen und Krankheit. Ich möchte an dieser Stelle aber noch auf einen<br />

anderen Aspekt eingehen, der in den autobiographischen Romanen generell spürbar, in einer<br />

Passage in Der Atem aber besonders konkret dargelegt wird. Das Durchleiden einer Krankheit<br />

wird in der Belehrung des Großvaters zu einer wertvollen Station im Leben eines Künstlers<br />

erhoben, ja als existenznotwendig (At 48-49). Diese Auffassung von Krankheit bestätigt<br />

Renate Langers These, wonach in Bernhards Autobiographie „Krankheit als Zeichen der<br />

Auserwähltheit“ 95 dargestellt wird. Hier lässt sich ein Bezug zu Blaise Pascal herstellen, der<br />

zu den von Bernhard „am häufigsten genannten Denkern und Autoren“ 96 zählt. In seinen<br />

Schriften geht Pascal dieser „traditionelle[n] Vorstellung von Krankheit als Auszeichnung“ 97<br />

nach, insbesondere in Gebet, um von Gott den guten Gebrauch der Krankheit zu erlernen.<br />

Pascal huldigt darin der Krankheit und sieht sie als gottgegeben an, als Möglichkeit zur Buße<br />

und im Weiteren zur Erlösung. Erst durch Leiden und Schmerzen kann sich der Mensch von<br />

weltlichen Kategorien abwenden und sich ausschließlich dem Glauben widmen. 98 Krankheit<br />

steht hier in einem durchwegs religiösen Kontext, in ihr „vollzieht der Mensch auf mystische<br />

Weise die Passion Christi nach“ 99 .<br />

Diese christliche Leidensmystik ist bei Bernhard also ebenfalls zu berücksichtigen, vor allem<br />

der Lyrikband In hora mortis geht darauf ein. 100 In der Titulierung der Autobiographie als<br />

„Leidensgeschichte“ ist dieser Aspekt jedoch ebenfalls von Bedeutung. Denn wenn sich<br />

93 Vgl. ebd.<br />

94 Langer, Renate: Bilder aus dem beschädigten Leben. Krankheit bei Thomas Bernhard. In: Honold, Alexander<br />

und Markus Joch (Hg.): Thomas Bernhard. Die Zurichtung des Menschen. Würzburg: Königshausen &<br />

Neumann 1999, S. 175-185, S. 175.<br />

95 Ebd., S. 181.<br />

96 Ebd., S. 183.<br />

97 Ebd., S. 183.<br />

98 Vgl. Pascal, Blaise: Schriften zur Religion. Übertragen und eingeleitet von Hans Urs von Balthasar.<br />

Einsiedeln: Johannes 1982. (Christliche Meister 17), S. 67-77.<br />

99 Ebd., S. 183<br />

100 Vgl. Bozzi, Paola: Ästhetik des Leidens. Zur Lyrik Thomas Bernhards. Frankfurt a.M.: Lang 1997. (Beiträge<br />

zur Literatur und Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts 16), S. 109-110.<br />

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