DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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6. Machtkomplex Katholizismus<br />
Zu Recht wurde und wird Thomas Bernhard, stellt man ihn in einen Zusammenhang mit dem<br />
Katholizismus, in erster Linie als vehementer Kirchenkritiker dargestellt und auf seine<br />
zahlreichen Aussagen gegen die katholische Kirche – sei es nun im Rahmen von Interviews<br />
oder literarischen Werken – verwiesen. Auch im Verlauf dieser Arbeit wurde mehrmals auf<br />
diesen Aspekt hingewiesen, der jedoch, wie anhand der Gesamtstruktur klar werden sollte,<br />
nicht allein Bernhards Verhältnis und Auseinandersetzung mit dem Katholizismus prägt. Das<br />
folgende Kapitel widmet sich nun aber ausschließlich jenen verschiedenen Facetten, die<br />
zusammen den Machtkomplex Katholizismus in der literarischen Verarbeitung Thomas<br />
Bernhards bilden.<br />
6.1. Missstände der <strong>Institut</strong>ion Kirche<br />
Die autobiographische Pentalogie benennt im Wesentlichen zwei Kritikpunkte an der<br />
katholischen Kirche: einerseits die skrupellose Ausbeutung der Gläubigen und die damit<br />
einhergehende persönliche Bereicherung oberster Würdenträger, andererseits die<br />
zerstörerische Wirkung, die die Kirche auf das Denken und die Seele der Menschen ausübt.<br />
Es handelt sich dabei um Kritik, die nicht primär den katholischen Glauben betrifft, sondern<br />
die ihn transportierende und praktizierende <strong>Institut</strong>ion Kirche und ihre Verkörperung durch<br />
kirchliches Personal. Nicht Katholizismus per se beutet die Gläubigen aus, vernichtet Geist<br />
und Seele, sondern die von Menschen betriebene <strong>Institut</strong>ion, die in ihrem Wesen einer<br />
radikalen politischen Partei ähnelt, wird angeprangert. Sie ist es, die den Glauben <strong>für</strong> ihre<br />
Zwecke missbraucht und größtmögliche Machtausdehnung beabsichtigt. Die katholische<br />
Kirche verfügt in den autobiographischen Erzählungen über ein ungeheures Maß an Einfluss<br />
und Autorität. Dadurch ist es ihr möglich, die Gläubigen nicht nur weiterhin <strong>für</strong> ihre Zwecke<br />
zu missbrauchen, sondern ihre Macht konstant weiter auszubauen. Das Erzähler-Ich gesteht<br />
den Gläubigen jedoch keinesfalls die ausschließliche Opferrolle zu, denn diese würden sich<br />
freiwillig der katholischen Herrschaft beugen und das Machtsystem unterstützen. Nur einige<br />
wenige könnten widerstehen und die wahren, unmoralischen Machenschaften des Klerus<br />
erkennen.<br />
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