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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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verwirklichen. Die Messe nimmt somit einen zentralen Stellenwert ein, bildet in Anbetracht<br />

der trostlosen und todeserfüllten Atmosphäre und in Verknüpfung mit der Musikaffinität des<br />

Ichs einen nahezu lebenswichtigen Faktor – „Die praktische Ausübung der Musik war auf<br />

einmal mein Lebenstraining.“ (Kä 145) Gegen Ende des Romans wird der Kirchenraum sogar<br />

heimlich aufgesucht, um dort „hinter dem Rücken der Ärzte“ (Kä 144) mit der Organistin des<br />

Dorfes gemeinsam zu musizieren. Regelmäßig singt das Ich von nun an „in den Messen die<br />

Baßpartien“ (Kä 144). Dies geschieht nicht aus religiöser Frömmigkeit, sondern einzig der<br />

Musik wegen. Dass diese Musik sich dabei durchwegs aus geistlichen Gesängen<br />

zusammensetzt, verursacht demnach auch keinen inneren Konflikt. Vielmehr hat die „Liebe<br />

zur Musik allgemein und zur Kirchenmusik im besonderen […] das ästhetische Empfinden<br />

des Autors mit ausgebildet“ 179 . Musik stellt damit nicht nur auf der Ebene der Handlung ein<br />

wichtiges Element dar, sondern spiegelt sich in der Form selbst wider 180 – über die<br />

musikalischen Züge in Bernhards Prosa existiert bereits eine breite Palette an<br />

Forschungsliteratur. 181 Die Bedeutsamkeit von Musik im literarischen Schaffen Thomas<br />

Bernhards ist ein zweifelsfreier Fakt. Die Kirche hat hier ihren Beitrag geleistet, ist als<br />

„vermittelnde und fördernde Instanz in der Entwicklung dieser musikalischen Vorliebe<br />

aufgetreten“ 182 und hatte zumindest in dieser Hinsicht einen fruchtbringenden Einfluss auf den<br />

Autor.<br />

Der Umstand, Kirche als Ort der Selbstverwirklichung und Inspiration begreifen zu können,<br />

wurde bereits in Der Keller vorbereitet: „Schon nach kurzer Zeit hatte sie [die<br />

Gesangslehrerin, Anm.] mich in mehrere Kirchen in der Stadt vermittelt, und ich sang dort an<br />

vielen Sonntagvormittagen in der Messe.“ (Ke 124-125) Der in Ein Kind vorherrschende<br />

drohende Zeigefinger und das beängstigende Schauspiel sind in diesen Erwähnungen der<br />

179 Vitovec, Barbara: „Simili modo“, S. 40.<br />

180 Vgl. Tschapke, Reinhard: Hölle und zurück, S. 140.<br />

181 Siehe u.a.: Bernhard, Thomas: Thomas Bernhard – Eine Begegnung. Gespräche mit Krista Fleischmann.<br />

<strong>Wien</strong>: Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1991, S. 134; Bloemsaat-Voerknecht, Liesbeth: Thomas<br />

Bernhard und die Musik. Themenkomplex mit drei Fallstudien und einem musikthematischen Register.<br />

Würzburg: Königshausen & Neumann 2006. (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft 539); Diller, Alex:<br />

„Ein literarischer Komponist?“ Musikalische Strukturen in der späten Prosa Thomas Bernhards. Heidelberg:<br />

Winter 2011. (Reihe Siegen. Beiträge zur Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaft 165); Jurgensen,<br />

Manfred: Die Sprachpartituren des Thomas Bernhard. In: ders. (Hg.): Bernhard. Annäherungen. Bern:<br />

Francke 1981. (Queensland Studies in German Language and Literature 8), S. 99-122; Marsoner, Karin:<br />

Musikalische Gestaltungsvorgänge in Thomas Bernhards Roman Auslöschung. In: Kolleritsch, Otto (Hg.):<br />

Die Musik, das Leben und der Irrtum. Thomas Bernhard und die Musik. <strong>Wien</strong>, Graz: Universal Edition 2000.<br />

(Studien zur Wertungsforschung 37), S. 153-168; Reiter, Andrea: Thomas Bernhards „musikalisches<br />

Kompositionsprinzip“. In: Auch Spanien ist Europa. Literaturmagazin Rowohlt 23 (1989), S. 149-168; Sorg,<br />

Beate: Alle Sätze sind Partituren. „Musikalisches“ Erzählen bei Thomas Bernhard. In: Neue Zeitschrift <strong>für</strong><br />

Musik, Nr. 2 (1996), S. 18-22.<br />

182 Vitovec, Barbara: „Simili modo“, S. 42.<br />

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