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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Tausenden und Abertausenden von Möglichkeitsfetzen von Erinnerung zusammengesetzt<br />

sind.“ (At 68-69)<br />

Nichtsdestotrotz bleibt „Authentizität“ eine zentrale Kategorie sowohl <strong>für</strong> Produzenten als<br />

auch Rezipienten einer Autobiographie. Philippe Lejeune reagierte darauf mit seinem<br />

Theorem des „autobiographischen Paktes“, einem Vertrag, einer Art „Verpflichtung zur<br />

Authentizität“ 62 . Darin spielt das Titelblatt eine entscheidende Rolle, denn mit dem dort<br />

angeführten Namen des Autors wird eine eindeutige Identität „Autor – Erzähler – Figur“<br />

hergestellt, die dem Leser die Einordnung des Textes erleichtert und ihn das darin<br />

Geschriebene als authentisch verstehen lässt. 63<br />

Auch im Falle von Thomas Bernhards autobiographischen Romanen ist das Interesse an der<br />

Frage nach Authentizität nach wie vor ungemindert. U.a. Andreas Maier ging 2004 auf<br />

detektivische Spurensuche und wies dem autobiographischen Werk eine Vielzahl an<br />

Ungereimtheiten nach. 64 Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Bernhard in hohem Maße<br />

rhetorisch arbeitet, der Effekt letzten Endes „wichtiger [ist] als der Wahrheitswille“, mehr<br />

noch, dass ein solcher „nirgendwo erkennbar“ sei. 65 Man mag Maier in seiner Argumentation<br />

zustimmen oder auch nicht, sein Unternehmen ist jedoch insofern zu kritisieren, als ihm eine<br />

Wertung innewohnt, die m. E. nicht aussagekräftig und daher ohne Belang ist. Ausreichend ist<br />

die neutrale Feststellung, dass Bernhard zwar vordergründig den autobiographischen Pakt<br />

schließt, indem er seine Geschichte als autobiographisch ausweist, mehrere Male auf<br />

nachprüfbare Fakten und Quellen verweist und auf rhetorische Kniffe zurückgreift, die<br />

bestimmte Aussagen oder Handlungsabschnitte beglaubigen sollen 66 , sich selbst und seine<br />

Geschichte aber denn doch eindeutig stilisiert.<br />

Interessant ist dabei, wie die Problematik der eigenen Erinnerung und der Schreibprozess an<br />

sich in der Autobiographie selbst angesprochen und thematisiert werden. Dies geschieht<br />

mehrere Male (u.a. Ur 57-58 und 96-97, Ke 35 und 37-39, At 68-69), ich greife hier<br />

stellvertretend eine längere Passage aus Der Keller heraus:<br />

62 Kramer, Olaf: Wahrheit als Lüge, Lüge als Wahrheit. Thomas Bernhards Autobiographie als rhetorischstrategisches<br />

Konstrukt. In: Knape, Joachim und Olaf Kramer (Hg.): Rhetorik und Sprachkunst bei Thomas<br />

Bernhard. Würzburg: Königshausen & Neumann 2011, S. 105-122, S. 108.<br />

63 Vgl. Lejeune, Philippe: Der autobiographische Pakt. In: Niggl, Günter (Hg.): Die Autobiographie. Zu Form<br />

und Geschichte einer literarischen Gattung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989. (Wege der<br />

Forschung 565), S. 214-257, S. 231.<br />

64 Vgl. Maier, Andreas: Die Verführung. Thomas Bernhards Prosa. Göttingen: Wallstein 2004, S. 70-157.<br />

65 Vgl. ebd., S. 156.<br />

66 Vgl. Kramer, Olaf: Wahrheit als Lüge, Lüge als Wahrheit, S. 108-112.<br />

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