DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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eispielsweise das Grauen in Grafenhof vermittelt werden, so heißt es: „Ich hatte jetzt, so<br />
mein Gedanke, den direkten Weg durch die Hölle und in den Tod zu gehen.“ (Kä 26) Die<br />
Hölle wird in dieser Aussage als Vorstufe des Todes gesehen, nicht als Stadium danach. Der<br />
Zustand nach dem Tod wird im Übrigen an keiner einzigen Stelle der Autobiographie<br />
verhandelt, somit fehlt gezwungenermaßen auch die Auseinandersetzung mit der Frage nach<br />
der Existenz von Himmel und Hölle im Jenseits, eines ewigen Lebens generell. Die Hölle<br />
dient dem Erzähler als Bezeichnung <strong>für</strong> ein Kompendium an Orten seiner Kindheit und<br />
Jugend, die als schrecklich erlebt wurden.<br />
Gleichzeitig hat die Hölle bei Bernhard ihre Endgültigkeit verloren – schlittert das Ich auch<br />
von einem furchtbaren Zustand in den nächsten, so können die als höllisch bezeichneten<br />
Lebensabschnitte und Räume doch durchgestanden und überwunden werden. Besonders<br />
positiv stellt sich dies in der Beurteilung des Krankenhausaufenthalts dar: Wird das<br />
Krankenhaus auch als Hölle empfunden (At 48), so wird dennoch im gleichen Atemzug die<br />
Notwendigkeit dieser schrecklichen Erfahrungen beschworen, ihr nutzbringender Effekt. Der<br />
Künstler bedarf solcher Räume, da sie sich <strong>für</strong> ihn zu „lebensentscheidenden<br />
existenznotwendigen Denkbezirk[en]“ (At 49) wandeln, mehr noch: Die bewusste Aussetzung<br />
eines solchen Ortes und seiner schrecklichen Erlebnisse wirkt nahezu reinigend auf den Geist:<br />
„Wenn er [der Großvater, Anm.] die Hölle, so hatte er fortan das Krankenhaus bezeichnet,<br />
verlassen habe, seien die Schwierigkeiten, die es ihm in letzter Zeit unmöglich gemacht hätten<br />
zu arbeiten, beseitigt.“ (At 48) Aus der Negativität, die noch dazu explizit als Hölle<br />
bezeichnet wird, kann ein positiver Ausweg gefunden werden, der <strong>für</strong> die künstlerische<br />
Produktion, das eigene Denken und schlussendlich das weitere Leben von entscheidender<br />
Relevanz ist. Höllische Orte sind in dieser Aussage des Großvaters Lebenshürden, deren<br />
Überwindung neue Energien freisetzt – diese Beurteilung und dieses Verständnis von Hölle ist<br />
wohl am wenigsten mit der katholischen Lehre vereinbar.<br />
Die eher leichtfertige und impulsive Verwendung des Begriffs „Hölle“ korreliert mit der Art<br />
und Weise, wie die „Vorhölle“ in die Erzählungen eingearbeitet wird: denn auch hier<br />
verweigert sich Bernhard einer Verwendung entsprechend der katholischen Eschatologie.<br />
Zudem bleibt nicht erkennbar, was der Erzähler nun genau unter der „Vorhölle“ versteht, denn<br />
oft genug werden „Hölle“ und „Vorhölle“ gleichgesetzt, die Grenzen verschwimmen, die<br />
Begriffsverwendung wird ungenau; einige andere Passagen betreiben wiederum eine scharfe<br />
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