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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Die Scherzhauserfeldsiedlung beherbergt die von der Stadt Salzburg „Ausgestoßenen“, die<br />

„Ärmsten und Verwahrlosesten und Verkommensten“, die „naturgemäß immer Kränklichsten<br />

und Verzweifeltsten“, zusammenfassend den „Menschenausschuß“ Salzburgs (Ke 33). Hier<br />

hausen die Bewohner unter menschenunwürdigen Zuständen wie in einem „sibirischen<br />

Straflager“ (Ke 33-34). Warum das autobiographische Ich die Scherzhauserfeldsiedlung dann<br />

damals noch als Vorhölle und nicht schon als Hölle bezeichnete, wird in einem Nachsatz<br />

deutlich:<br />

„Damals habe ich noch an die Hölle geglaubt, da ich heute nicht mehr an die Hölle glaube,<br />

war die Scherzhauserfeldsiedlung die Hölle, etwas Schlimmeres konnte es <strong>für</strong> die<br />

Bewohner der Scherzhauserfeldsiedlung nicht geben. Für alle diese Menschen gab es keine<br />

Rettung […].“ (Ke 36)<br />

Die Scherzhauserfeldsiedlung ist letzten Endes also doch die Hölle, aus der es keinen Ausweg<br />

gibt – einzig die damalige Vorstellungswelt des Erzähler-Ichs führt zu dem Vergleich mit der<br />

Vorhölle. Dennoch ist dieser Vergleich passend, da er mit der wörtlichen Übersetzung des<br />

Limbus als „Saum“ oder „Rand“ vereinbar ist. In der Scherzhauserfeldsiedlung am Rande der<br />

Stadt befinden sich die von der restlichen Gesellschaft Ausgeschlossenen und Verdammten,<br />

die unter untragbaren Verhältnissen ihr Dasein fristen und aus diesem mit eigener<br />

Anstrengung schwerlich ausbrechen können, auf die Gnade übergeordneter <strong>Institut</strong>ionen<br />

angewiesen sind. Aber „[d]er Staat, die Stadt und die Kirche hatten an diesen Menschen<br />

längst versagt und aufgegeben.“ (Ke 41)<br />

Im Weiteren werden denn auch beide Begriffe nebeneinander angeführt – das damalige<br />

Empfinden und das Bewusstsein zum Zeitpunkt der Niederschrift werden so gleichermaßen<br />

eingefangen: „Ein Zufall, so dachte ich, hat mich in die Vorhölle (die Hölle) geführt. Wer die<br />

Vorhölle (die Hölle) nicht kennt, ist ein Ahnungsloser, ein Inkompetenter.“ (Ke 37) Dieses<br />

Muster wird in weiteren Passagen fortgesetzt, die Scherzhauserfeldsiedlung trägt fortan beide<br />

Bezeichnungen (Ke 41, 50, 52, 54, 57, 60, 65, 101, 119). Wenige Seiten später wird zusätzlich<br />

das „Fegefeuer“ als Vergleich herangezogen: „und der Beobachter weiß im Augenblick der<br />

Begegnung, dieser ist aus dem Fegefeuer oder aus der Vorhölle oder aus der Hölle der Stadt.“<br />

(Ke 41) Während sich also in der kirchlichen Vorstellung hinter jedem Begriff ein eigener<br />

theologischer Kosmos verbirgt, stehen sie in dieser Aussage auf gleicher Ebene, werden vom<br />

Erzähler ohne weitere Unterscheidung nebeneinander gestellt, synonym verwendet. Alle diese<br />

Orte vereint ihre Schrecklichkeit <strong>für</strong> die darin Gefangenen und genau diese sollte vermittelt<br />

werden. Insofern bedarf es keiner weiteren Abstufung oder Differenzierung.<br />

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