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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Jede Kategorie des vorhin genannten Begriffsquadrupels hat auch im Gottesdienst Gültigkeit,<br />

nimmt einen wichtigen Stellenwert ein und zeigt dabei auf, dass gottesdienstliches Geschehen<br />

weitgehend theatralen Mustern folgt. Die katholische Messe ebenso wie die herkömmliche<br />

Theateraufführung sind gleichermaßen durchinszeniertes Geschehen: Ablauf und verbaler<br />

Vortrag werden durch ein Textbuch diktiert, jegliche Bewegungen und Gesten folgen einer<br />

einstudierten Choreographie, die Hauptakteure „kostümieren“ sich, arbeiten mit<br />

Gegenständen, deren Symbolgehalt nur dann verstanden werden kann, wenn der Kontext des<br />

Stücks, das dahinter stehende Zeichensystem, den Zusehern, die einzig wegen dieses<br />

Geschehens zusammengekommen sind, bekannt ist. 175 Eine Vertiefung in den<br />

schauspieltheoretischen Diskurs würde jedoch aufzeigen, dass nicht jeder Aspekt so<br />

reibungslos und gleichermaßen Anwendung <strong>für</strong> beide Bereiche findet. Die These vom<br />

Gottesdienst als Theater in ihrer gesamten Komplexität aufzuzeigen wäre <strong>für</strong> das Thema und<br />

die Fragestellung dieser Arbeit aber nicht zweckdienlich. Hier muss sinnvolle<br />

Schwerpunktsetzung genügen. Die in der Autobiographie intuitiv empfundene Relation von<br />

Kirche und Theater sollte durch diesen knappen Exkurs eine rationale Basis erhalten und<br />

grundlegende Gemeinsamkeiten in Wesen und Gestaltung aufzeigen. Obgleich also<br />

Gottesdienst und Theateraufführung nicht pauschal gleichgesetzt werden können, wie der Ich-<br />

Erzähler dies tut, lassen sich doch etliche Parallelen festhalten, die die Schlussfolgerung<br />

zulassen, dass jedem Gottesdienst ein bestimmtes Maß an Theatralität eingeschrieben ist.<br />

Mittlerweile nimmt auch die kirchliche Ausbildungspraxis gezielt theatrale Techniken auf und<br />

versteht Kirche als „Ort der rituellen Inszenierung“ 176 . Laut Thomas Kabel, selbst<br />

Schauspieler, soll der Gottesdienst durch Anleihen aus Film und Theater Attraktivität<br />

zurückgewinnen, „dramaturgische Spannung“ 177 wiedererlangen und der liturgischen Routine<br />

neue Impulse verleihen. 178 Gerade hier wird also an die Gemeinsamkeiten mit dem Theater<br />

angeknüpft, um sie <strong>für</strong> die gegenwärtige Gestaltung des Gottesdienstes fruchtbar zu machen.<br />

Die Feststellung des Erzähler-Ichs bleibt aber ganz im Gegenteil dazu eher abwertend. Die<br />

Tatsache, dass die Messe hier einem Schauspiel gleicht, hebt vorrangig die gekünstelten Züge<br />

hervor, das unglaubhafte Auftreten und unnatürliche Gehabe. Ein prägender Eindruck,<br />

175 Vgl. ebd., S. 129.<br />

176 Kabel, Thomas: Handbuch Liturgische Präsenz. Bd. 1. Zur praktischen Inszenierung des Gottesdienstes.<br />

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2002, S. 181.<br />

177 Ebd., S 182.<br />

178 Siehe ebd., S. 180-228.<br />

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