05.10.2013 Aufrufe

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

hervorgerufen durch das Moment des Augenblicks und die Mystik des Dargestellten, ist aber<br />

unbestritten.<br />

Die in der Einleitung zu diesem Kapitel angesprochene Ambivalenz in Bezug auf das Erleben<br />

von Kirche und Liturgie wurde anhand der bisherigen Textbeispiele noch nicht spürbar, sie<br />

wird allerdings an einer späteren Passage in Ein Kind ersichtlich: Bei der Erkundung der<br />

neuen Heimat Traunstein ist es die Stadtpfarrkirche, die das Erzähler-Ich „am meisten<br />

beeindruckte“ (Ki 111). Die erste Messe in dieser Kirche wird als besonders imposant erlebt,<br />

von einem „gewaltigen Chor und einem vollbesetzten Fanfarenorchester“ ist die Rede,<br />

„wahrscheinlich war ein hoher Feiertag, und die Menge so dicht aneinandergedrängt, daß<br />

keiner umfallen hätte können“ (Ki 111). Interessant ist dabei die erneute Erwähnung einer<br />

dicht gedrängten Menge – das Erzähler-Ich erlebt den Besuch der Messe dabei immer als<br />

Ereignis, dem tatsächlich eine große Gruppe von Menschen beiwohnt. Den Dreh- und<br />

Angelpunkt der Beschreibung stellt das Wort „gigantisch“ dar, mit welchem die Messe<br />

(aufgrund der beschriebenen außergewöhnlichen musikalischen Gestaltung wohl tatsächlich<br />

ein Hochamt) typisiert wird: „glaubte ich endlich zu wissen, was das <strong>für</strong> mich immer<br />

geheimnisvolle großväterliche Wort gigantisch bedeutete“ (Ki 111).<br />

Die Wahl dieses Adjektivs und die Schilderung dieses Messbesuchs generell beinhalten keine<br />

negativen Zwischentöne – das Erzähler-Ich scheint zutiefst von dem Geschehen beeindruckt<br />

und im positiven Sinne überwältigt zu sein. Die Beschreibung lässt den Rückschluss zu, dass<br />

diese Faszination neben dem zum Bersten gefüllten Kirchenraum in erster Linie auf die<br />

musikalische Gestaltung der Messe zurückzuführen ist, der das Kind erliegt. Die eigentliche<br />

Messfeier wird dahingehend auch nicht erwähnt.<br />

Das Element Musik ist es auch, das den fast Erwachsenen noch in den Kirchenraum treibt:<br />

Nicht weil ich katholisch war, ging ich an den Sonntagen in die Kapelle, sondern weil ich<br />

nicht nur ein musikalischer Mensch, sondern ein Musiknarr geworden war […]. So sang<br />

ich an diesen Sonntagen, neben dem Harmonium stehend, das mein Kapellmeisterfreund<br />

spielte, eine Schubertmesse. (Kä 84)<br />

Einzig die musikalische Betätigung steht bei den Kirchgängen in Grafenhof im Vordergrund.<br />

Bei der sonntäglichen Messe kann das autobiographische Ich seiner Passion nachgehen, sich<br />

50

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!