Agrar-Kolonialismus in Afrika - VSA Verlag
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Diese überlieferten, fest verankerten Gewohnheitsrechte (customary<br />
laws) und die darauf basierenden Nutzungsrechte s<strong>in</strong>d selten schriftlich<br />
dokumentiert oder gar von staatlichen Behörden, Katasterämtern<br />
oder Notaren beurkundet, und damit bei Konflikten nicht nachweisbar<br />
– <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne also ungesichert.<br />
Beim zweiten zentralen Problem, das die Diskussion um die Landfrage<br />
bestimmt, geht es um das genaue Gegenteil: kaum auszuhebelnde<br />
gesicherte Landrechte. Als sich die europäischen Kolonialherren – <strong>in</strong>sbesondere<br />
<strong>in</strong> den Siedlerkolonien im östlichen und südlichen <strong>Afrika</strong><br />
– das beste Land aneigneten und die afrikanische Bevölkerung <strong>in</strong> die<br />
landwirtschaftlich ungünstigeren Regionen vertrieben, brachten sie<br />
auch die Vorstellung von privatem Landeigentum mit, das durch den<br />
Staat geschützt wird. Das westliche Bodenrecht segnete die Enteignung<br />
und Besetzung als Rechtens ab und eröffnete gleichzeitig die Möglichkeit,<br />
Land beliebig zu veräußern und zu Geld zu machen. Land wurde<br />
zu e<strong>in</strong>er Ware.<br />
Land und Wasser hängen naturgemäß eng zusammen. Und so<br />
s<strong>in</strong>d auch Landrechte oft mit Nutzungsrechten am Wasser verknüpft:<br />
Grundwasser gehört dem Landbesitzer. Nomaden haben ihre Tränken<br />
und Feuchtgebiete, <strong>in</strong> denen auch auf dem Höhepunkt der Trockenzeit<br />
noch Wasser und Futter zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Flußanra<strong>in</strong>er legen geme<strong>in</strong>sam<br />
Wehre und Gräben an, um Wasser auf ihre Felder zu leiten. Und die<br />
Plantagen und Farmen der weißen Bauern wurden <strong>in</strong> der Kolonialzeit<br />
vom Staat großzügig mit Bewässerungsmöglichkeiten und anderer Infrastruktur<br />
versorgt.<br />
Nach der Unabhängigkeit bestand die »Landfrage« vor allem <strong>in</strong> der<br />
ungerechten Landverteilung durch die Kolonialzeit. In vielen Ländern<br />
wurden Land und Wasser zu Staatseigentum erklärt. In e<strong>in</strong>igen Ländern<br />
wie Angola, Mosambik und Äthiopien wurde privater Großgrundbesitz<br />
enteignet und <strong>in</strong> Staatsfarmen umgewandelt oder an Genossenschaften<br />
übergeben. So besteht heute e<strong>in</strong> Neben- und Durche<strong>in</strong>ander von Geme<strong>in</strong>schaftsland,<br />
Staatseigentum und privatem Besitz an Grund und<br />
Boden, geregelt teils nach modernem, teils nach traditionellem Recht.<br />
Während zum Beispiel <strong>in</strong> Kenia etwa e<strong>in</strong> Drittel des Landes mit Landtiteln<br />
versehen ist, waren <strong>in</strong> West- und Zentralafrika Ende der 1990er<br />
Jahre schätzungsweise mehr als 90% des Landbesitzes nicht schriftlich<br />
dokumentiert und unterlagen überkommenem Gewohnheits- beziehungsweise<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsrecht.<br />
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