Agrar-Kolonialismus in Afrika - VSA Verlag

Trügerische Sicherheit
In der Elfenbeinküste wurde zu Beginn der 1990er Jahre erstmals
ein Vorhaben erprobt, das inzwischen in Westafrika mehrfach kopiert
wurde. Der »Plan Foncier Rural« (PFR) zielte auf ein ländliches Bodenrechtsverzeichnis
ab. Ursprünglich sollten alle bestehenden Landnutzungsrechte
erhoben und durch Zertifi kate bestätigt werden, um
die Rechtssicherheit der verschiedenen Interessen zu erhöhen. In
der Praxis wurden dann aber nur zwei Gruppen von Landrechten erfasst
– die von Landverwaltern und Landnutzern. Nicht erfasst wurden
dagegen relevante Nutzungen von Weiderechten, Sammelrechte für
Baumfrüchte, vor allem aber ambivalente Situationen, in denen sich
die Nutzungsrechte, oft von Migranten, stillschweigend Verwaltungsrechten
angenähert hatten. So trug die Registrierung von Landtiteln
zu der Vertreibung zahlloser Migranten aus den Nachbarländern bei,
von denen viele seit Generationen als Pächter und Ernteteilhaber gearbeitet
haben.
Quelle: Volker Stamm, Grob vereinfacht, in: E+Z Jg.47.2006:11, 428
Die Ankündigung war, Ordnung in das Wirrwarr sich überlappender
Landnutzungsrechte zu bringen und verlässliche, funktionierende administrative
Mechanismen wie die Vergabe von Landtiteln, die Registrierung,
also die Einrichtung von Grundbuch und Katasteramt, Regeln
für den Transfer, die Streitschlichtung und – für die klammen Staatshaushalte
besonders interessant – den Einzug von Steuern und Abgaben
zu schaffen. Die Zivilgesellschaft oder die Bauern hatten darauf allerdings
wenig Einfluss. 132
Inzwischen zeigen sowohl die praktischen Erfahrungen als auch eine
breite Forschungsliteratur, dass diese Politik Konflikte und Landverlust
eher beschleunigt als verhindert hat. 133 Die Erfassung und Registrierung
132
Ein Beispiel ist Tansania, wo die vom Präsidenten eingesetzte Landkommission unter
Vorsitz des renommierten Professors Issa Shivji eine Reformstrategie erarbeitete, die
zahlreiche Vorschläge zum Schutz der Kleinbauern enthielt. Ihr Abschlussbericht, der nach
einer landesweiten Beratung mit Bauern- und zivilgesellschaftlichen Organisationen vorgelegt
wurde, wurde allerdings bei der Ausarbeitung der Landpolitik durch die Bürokraten
im Landministerium völlig ignoriert. Siehe: Kjell J. Havnevik, The land question in Sub-
Saharan Africa.
133
Siehe etwa Kjell J. Havnevik, The land question in Sub-Saharan Africa, (IRDC); Julian
Quan u.a. (Hrsg.), Land in Africa. Market asses t or secure livelihood? 2004; Land
Tenure Reform and Gender Equality, by Shahra Razavi, 2005 (Das UN-Forschungsinstitut
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