15.06.2014 Aufrufe

Vorlesung Romantik Text

Vorlesung Romantik Text

Vorlesung Romantik Text

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

Aufführung zunächst verschoben, dann wird das Stück am 24. ganz verboten, weil es<br />

gegen die Sitten verstoße. Hugo protestiert und strengt einen Prozeß vor Gericht an.<br />

Vor der Verhandlung läßt er ein langes Vorwort verteilen, das er zu seinem Stück<br />

verfaßt hat und das man auch heute noch vor den Ausgaben von Le Roi s’amuse lesen<br />

kann. Hugo verband darin unmittelbar die Freiheit der Kunst mit der politischen<br />

Freiheit, die beide seit der Julirevolution eigentlich garantiert sein sollten. Das Stück<br />

zu verbieten, sei ein Angriff auf die Rechte und auf den Privatbesitz des Dichters,<br />

schrieb er im Vorwort vom 30. November 1832:<br />

Le ministre lui avait pris sa pièce, lui avait pris son droit, lui avait pris sa chose. Il ne<br />

restait plus qu’à le mettre, lui poète, à la Bastille. […] Mille questions se pressent dans<br />

votre esprit. – Où est la loi? Où est le droit? Est-ce que cela peut se passer ainsi? Est-ce<br />

qu’il y a eu en effet quelque chose qu’on appelle la révolution de juillet?<br />

Auch Hugos folgende Dramen brachten Themen, die in einem relativ großen<br />

historischen Abstand zur Gegenwart lagen: Im selben Jahr 1832 brachte er Lucrèce<br />

Borgia im Theater der Porte Saint-Martin auf die Bühne, 1833 Marie Tudor und<br />

Anfang 1835 Angelo, tyran de Padoue. Die Stücke haben zwar alle Erfolg, aber die<br />

Forderungen nach einem Theater, das die Gegenwart auf die Bühne bringt, werden<br />

immer vernehmbarer. Die liberale Theaterzeitung Entr’acte hatte schon Ende 1833<br />

den hohen Ton und die komplizierten Handlungen der historischen Stücke beklagt,<br />

di ein entfernten Gegenden Europas spielten. Statt Walter Scott für die Bühne wollte<br />

man lieber den französischen Alltag als Gegenstand des Dramas sehen:<br />

Parlez-nous plus bas, parlez-nous de nous-mêmes […]; descendez dans notre vie de tous<br />

les jours, foulez aux pieds les chroniques, les manteaux des rois.<br />

Und Alfred de Musset schrieb zur selben Zeit in der Revue universelle:<br />

Où voit-on un peintre, un poète préoccupé de ce qui se passe non à Venise ou à Cadix,<br />

mais à Paris, à droite et à gauche ? Que dit-on de nous dans les théâtres ? de nous dans les<br />

livres ?<br />

Der Autor, der das Publikum mit Gegenwartsdramen bediente, war Alexandre<br />

Dumas. Aus heutiger Sicht ist vor allem Hugo der typische Vertreter des<br />

romantischen Dramas, für die Zeitgenossen war Dumas mindestens genauso wichtig,<br />

und wenn man die Zahl der Aufführungen in den 1830er Jahren nimmt, war er sogar<br />

der erfolgreichere von beiden.<br />

Noch um 1840 waren Hugos Le roi s’amuse und Dumas’ Antony für den jungen<br />

Flaubert der Inbegriff des Gegenwartstheaters, wie Flauberts Freund Maxime du<br />

Camp in seinen Souvenirs littéraires von 1880 notiert hat. Flaubert habe unter dem<br />

Eindruck dieser beiden Autoren sogar selbst von einer Schauspielerkarriere<br />

106

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!