Vorlesung Romantik Text
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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />
Mitglieder des Königshauses besungen oder die Opfer der Revolution beklagt werden.<br />
Titel wie<br />
La Vendée<br />
La mort du duc de Berry<br />
La naissance du duc de Bordeaux<br />
Le baptême du duc de Bordeaux<br />
lassen auch ohne genauere Analyse erkennen, daß sich der junge Autor – Hugo ist<br />
1819 17 Jahre alt – bei der herrschenden Klasse der Restauration nicht unbeliebt<br />
machen möchte, um es vorsichtig zu formulieren.<br />
Im Gegensatz zu Lamartine ist Hugo darauf angewiesen, von seinen Publikationen<br />
leben zu können, und das bedeutet während der Restauration noch, daß man auf eine<br />
königliche Pension spekulieren muß. Wir hatten über Hugos Pension bereits im<br />
Zusammenhang der Zensurentscheidung gegen sein Drama Marion Delorme von<br />
1829 gesprochen. Ab 1822 bezog Hugo dann auch tatsächlich eine Art Gehalt des<br />
Königshauses, was sich im Vorwort zur ersten Sammlung seiner Gedichte<br />
niederschlägt. Diese erste Sammlung erschien 1822 unter dem Titel Odes et Poésies<br />
diverses, und der mittlerweile zwanzigjährige Autor gab sich betont katholisch und<br />
betont monarchistisch:<br />
Il y a deux intentions dans la publication de ce livre, l’intention littéraire et l’intention<br />
politique ; mais, dans la pensée de l’auteur, la dernière est la conséquence de la première,<br />
car l’histoire des hommes ne présente de poésie que jugée du haut des idées<br />
monarchiques et de croyances religieuses. 107<br />
Hugos literarische und politische Entwicklung läßt sich in Kurzform an der<br />
Entwicklung der Vorreden zu dieser Gedichtsammlung und an deren Titel ablesen.<br />
Die Ausgabe von 1824, die unter dem Titel Nouvelles Odes erschien, nahm im<br />
Vorwort bereits ausführlich Stellung zum Streit zwischen Klassikern und<br />
<strong>Romantik</strong>ern. Hugo spricht darin von „deux partis dans la littérature comme dans<br />
l’état; et la guerre poétique ne paraît pas devoir être moins acharnée que la guerre<br />
sociale n’est furieuse“. 108 Er beschreibt die unterschiedlichen Positionen in dem<br />
Streit, äußert sich zur Wortgeschichte von „romantique“ und möchte eine<br />
vermittelnde Position einnehmen: „Des conciliateurs se sont présentés avec de sages<br />
paroles entre les deux fronts d’attaque. […] C’est dans leur rang que l’auteur de ce<br />
107 Hugo: Préface 1822. Œuvres poétiques. Pléiade. Bd. 1, S. 265.<br />
108 Préface 1824. Ebd., S. 269.<br />
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